| Mai 2002: |
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Renate Leffek, Chemielaborantin, ist 3. stellvertretende Bundesvorsitzende der BüSo
Hier im Bild (rechts) mit Amelia Boynton Robinson, der damaligen Mitstreiterin von Dr. Martin Luther King (links).
Viel wurde in den letzten Wochen über die Pisa- Studie diskutiert. Die Menschen waren entsetzt über das schlechte Abschneiden der deutschen Schüler. Ich frage mich, warum eigentlich? So plötzlich und überraschend kam diese Entwicklung doch gar nicht! Jeder, der interessiert war, konnte diese Entwicklung doch verfolgen, aber wo waren denn die Protestler zu dieser Zeit? Die Vorschläge wie Ganztagsschulen oder konservative Bildungskanons gehen, genauso wie die Vorschläge gegen die Wirtschaftskrise, am Kern des Problems vorbei.
In den 60er Jahren haben die sogenannten 68er eine Bildungsreform nach der anderen durchgesetzt, mit dem Ziel ihre "soziologischen Interessen" durchzusetzen, die darin gipfelten den Bedürfnissen des Schülers gerecht zu werden. Sie hätten sich damals sicherlich nicht träumen lassen, dass ihre "linke" Politik - ohne große Vorbehalte - von der "Rechten" übernommen wird. Geprägt durch den Einfluß von Heidegger, Adorno und Horkheimer, den Lehrern der Frankfurter Schule, wurden die einst idealistischen Konzepte gegen eine irrationale, existentialistische und soziologische Ideologie eingetauscht. Die Rockmusik- Drogen und Sex Kultur sind das Faszit dieser Entwicklung.
So fand in den letzten 30 Jahren eine systematische Umerziehung statt mit dem Ziel, die Gesellschaft zu zerstören und Ideale zu diffamieren. Die heutige Gewalt hat ihre Wurzeln in der Entsozialisierung, wie sie die Frankfurter Schule gelehrt hat (das Gemeinwohl gilt weniger als die sinnlich-infantile Befriedigung des Individuums) und im Existentialismus, wo auch die Perspektivlosigkeit der heutigen Generation liegt. Das Resultat der Reformen können wir heute an der Bildungsmisere in den Schulen und in Folge dessen auch an den Universitäten sehen. Aber ich möchte nicht ungerecht sein, denn mit Sicherheit gab und gibt es noch unermüdlich kämpfende Lehrer und Professoren, die sich gegen diese Gleichschaltung zur Wehr setzten und mit ihrem persönlichem Engagement die klassische und auch fortschrittsorientierte Bildungspolitik verteidigen.
Schon Friedrich Schiller hatte im 18. Jahrhundert vor dieser geistigen Enge gewarnt. In seiner Antrittsvorlesung in Jena warf er den sophistischen Brotgelehrten und Karrieristen Fortschrittsfeindlichkeit und geistige Kleinheit vor, dem setzte er die philosophischen Köpfe entgegen, die die Wahrheit mehr lieben als ihr System und sich aus diesem Grunde über jede neue Entdeckung freuen, " Der philosophische Geist hat immer das Große und Ganze im Auge und nur dadurch gewinnt das Kleine an Größe und nicht umgekehrt". Wilhelm v. Humboldt, Lessing, Schiller, Leibniz, Friedrich List, Wolfgang, Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Riemann und Cantor und viele anderen Dichter und Denker, Naturwissenschaftler, Komponisten und Ökonome galten auf einmal als überholt und dem Zeitgeist nicht entsprechend. Wer von unseren Politikern hat sich denn noch mit den Ideen von Friedrich Schiller und Gottfried Wilhelm Leibniz beschäftigt und hält sie noch für Vorbilder?
Wer heute über Erziehung, Bildung und Forschung redet - wenn diese Begriffe nicht schon völlig von der " Wissensgesellschaft" ausgeschaltet wurden, und sich nur mit allgemeinen, nichtssagenden Plattitüden abgibt wie: "Bildung darf nicht von Ideologien bestimmt werden" oder: "Wir müssen wieder Werte schaffen", wird schnell feststellen, daß er selbst Opfer dieser langjährigen Umerziehung ist und gar nicht mehr weiß, welche Inhalte die Werte wieder bestimmen sollten, oder wie die Ideologie zu bekämpfen ist. Da muß man schon konkret werden und Namen nennen!
Die Jugendlichen brauchen heute wieder Vorbilder und Ideale. Natürlich fängt dies in der Familie an, aber wie wäre es, wenn auch die Politiker sich dieses zur Aufgabe machen würden?
Das setzt voraus, dass der Jugend langfristige wirtschaftliche Perspektiven angeboten werden. Wir brauchen wieder langfristige Entwicklungsperspektiven in den Bereichen Infrastruktur, technologisches Know How, Forschung und Wissenschaft, damit die Jugendlichen wieder wissen, was sie studieren können und sollten. Nur so können sie auch später einen Beitrag für das gesellschaftliche Gemeinwohl leisten.
Es ist notwendig, die Ansprüche an Schüler und Lehrer wieder zu heben, um den Jugendlichen wieder einen Standard zu geben, der die Hochbegabtenförderung überflüssig macht und den schwächeren Schülern trotzdem eine breite Bildungsmöglichkeit gibt.
Für die Wirtschaft heißt es ebenfalls, den Standard wieder auf ein hohes Niveau zu setzen: Vom Maschinenbau bis zu Raumfahrtprojekten. Statt einer fehlgeleiteten Finanz-und Wirtschaftspolitik wie der Globalisierung (Billiglohnpolitik) und New Economy hinterherzulaufen und sie auf Kosten von Arbeitsplätzen am Leben zu erhalten, sollten wir wieder in die besten technologischen Entwicklungen investieren, diese mit der "Old Economy" verknüpfen und Konzeptionen wie die " Neue Seidenstraße" mit ihren Infrastruktur-Großprojekten als Orientierung für die wirtschaftliche Zusammenarbeit der verschiedensten Nationen sehen.
In den 70er Jahren habe ich bereits die klassische Bildungspolitik, mit dem Motto: Erziehung für das Jahr 2000: mehr denken, forschen und erfinden, verteidigt. Ich halte es für wichtig, sich auf die grundsätzliche Frage des Bildungsziels zu konzentrieren, nämlich, urteilsfähige kreative Menschen zu erziehen.
Politiker sollten sich deutlich gegen den Schlachtruf der 68er: "Schafft die Schule ab." abgrenzen und sich offen gegen die wachstumsfeindliche, technologiefeindliche und "vernunftsfeindlichen" Ideologie aussprechen.
Konkret heißt es, statt Trivialliteratur und Linguistik sollten wieder die Texte großer Klassiker wie Platon, Homer, Gottfried Lessing behandelt werden. Wilhelm von Humboldt, dem die Charakterbildung des Menschen sehr am Herzen lag, kann sicherlich heute noch den Bildungspolitikern, aber auch Lehrern und Eltern einen Rat geben. Und aus Friedrich Schillers Dramen können wir lernen, wie wirkliche Staatsmänner sich mit schwierigen politischen Situationen auseinandersetzen und Auswege finden. Die Großen Ideen sind es, die wir in unserer heutigen krisengerüttelten Zeit brauchen und Menschen die sich verantwortlich für das Gemeinwohl und die Gesellschaft einsetzen, um Krisen zu bewältigen und nicht zu managen!
Die Bildung muss wieder eine Allgemeinbildung werden !
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