September 2001:
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Die Wirtschafts- und Finanzlage in Baden-Württemberg

Thomas Schaeuble Willkommen im "Club der Zocker", Herr Schäuble!

Städte und Gemeinden dürfen jetzt ihr Geld in Investmentfonds anlegen. Vor einigen Jahren wurde der damalige Bürgermeister von Neckarwestheim zu einer Haftstrafe verdonnert, wegen Machenschaften bezüglich der Gemeindefinanzen. Jetzt wird das legalisiert und damit zu solcherlei ermuntert.

Je weiter die Weltkonjunktur und mit ihr die internationalen Aktienkurse abrutschen, desto deutlichere Spuren hinterläßt diese Entwicklung auch in Baden-Württemberg: Nicht nur die Börse im Stuttgarter Königsbau, auch die produzierenden Unternehmen können bei weitem nicht an das rapide Wachstum des Vorjahres anknüpfen. Gerade im Maschinen- und Fahrzeugbau hatten die baden-württembergischen Firmen im Jahr 2000 teils zweistellige Zuwachsraten in ihren Auftragsbüchern notieren können, angetrieben vom Konsumboom in den USA. Da dieser Konsumrausch, der nur allzu oft kreditfinanziert war, nach dem jähen Ende der "New Economy" wie ein heruntergebranntes Strohfeuer erlosch, geht die IHK Stuttgart allenfalls von einem "moderaten Wachstum" ihrer Mitgliedsfirmen im laufenden Geschäftsjahr aus.

Das sieht der Geschäftsführer des Landesverbandes der Maschinenbauer, Ulrich Hermani, allerdings etwas anders. Den Stuttgarter Nachrichten sagte er am 01.08.01: "Wir bleiben bei unserer vor kurzem abgegebenen Prognose von sieben Prozent." Dies liege aber vor allem an möglicherweise zweistelligen Zuwachsraten im Werkzeugmaschinen- und Anlagenbau.

Von solchen Entwicklungen kann man in der Landes- und Kommunalverwaltung seit langem nur noch träumen -- und genau das scheint dessen Chef, Innenminister Thomas Schäuble (CDU), auch tatsächlich zu tun: Sein Ministerium änderte nämlich die Gemeindehaushaltsordnung dahingehend, daß Städte und Gemeinden ihr Geld künftig auch in Investmentfonds anlegen dürfen. Das war aus Sicherheitsgründen bisher nicht gestattet, um so erstaunlicher also, warum gerade jetzt bei der sich ständig verschlechternden Börsenlage diese Vorsichtsmaßnahme außer Kraft gesetzt wird. Das Innenministerium verspricht sich davon offensichtlich eine schnellere Privatisierung der kommunalen und regionalen Energieversorgungsunternehmen und Stadtwerke, damit diese "defizitären Strukturen" nicht länger die Bilanzen verdüstern.

Mit dem Verkauf der Neckarwerke-Anteile geht Esslingen auch genau diesen Weg, ist aber offensichtlich klug genug, das dadurch "freiwerdende" Kapital von 171 Mio. DM nicht gleich wieder zu "verzocken", sprich: in Aktien anzulegen. Statt dessen sollen mit den Geldern die städtischen Schulden von 80 Mio. beglichen werden, dem Esslinger Verkehrsbetrieb mit 60 Mio. unter die Arme gegriffen werden, sowie mehrere Bauvorhaben und Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden.

Ob diese neue Idee von Innenminister Schäuble einen Aufschwung des Handelsumsatzes an den notleidenden Börsen bringen wird, ist also äußerst fraglich -- obwohl es diese doch so nötig hätten; schließlich hat "die anhaltende Flaute im Aktienhandel", wie es die Stuttgarter Zeitung formuliert, "der Stuttgarter Börse im ersten Halbjahr 2001 starke Einbrüche bei Order- und Umsatzzahlen beschert." Siegfried Jaschinski, Aufsichtsratsvorsitzender der Boerse-Stuttgart AG, rechnet deshalb für das Jahr 2001 lediglich noch mit etwas mehr als der Hälfte des Jahresüberschusses 2000 von damals 6,49 Mio. Euro.

Zu den größten Verlierern gehört die Stuttgarter Brokat AG, eine Softwarefirma, die Anwendungssoftware fürs Internetbanking produzierte und in der Hochphase nach ihrem rasanten Aufstieg seit der Gründung 1994 und dem Börsengang 1998 etwa 1400 Beschäftigte bezahlte. Dann kam aber der genauso jähe Absturz aufgrund der Verschlechterung des internationalen Umfelds im IT-Bereich und durch massive Ausgabenexplosion aufgrund von Fehlinvestitionen, worauf der ehemalige Aktienkurs von rund 200 Euro pro Brokat-Aktie auf unter 2 Euro absackte. Um dem Konkurs zu entgehen, soll das Unternehmen nun in drei Teile aufgespalten und teilweise an Konkurenzunternehmen verkauft werden, wobei von den ehemals Beschäftigten nur noch etwa 280 übrigbleiben werden.

Um diesen Negativschlagzeilen etwas entgegenzusetzen, will die immerhin zweitgrößte deutsche Börse am Neckar zusammen mit der Euwax Broker AG eine Internetplattform aufbauen, die erstmals den börslichen und außerbörslichen Optionsscheinhandel vereint, um damit ihre wichtige Stellung im deutschen Handel mit Optionsscheinen weiter auszubauen.

Man ist also bemüht, den Anschein von Stabilität in der "New Economy" nach wie vor zu wahren, und wenn dann auch noch die Rückrufaktion deutscher Computerexperten aus den USA durch die Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (WRS) greift, die mittels Flugzeugwerbung über Manhattan und Los Angeles die dort "freigesetzten" IT-Spezialisten an den Neckar zurückholen soll, dann dürfte es doch sicherlich wieder aufwärts gehen... langfristig... hofft man.


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