Eine Wendelstein 7-X-Spule. Das Bild wurde vom Forschungszentrum Karlsruhe zur Verfügung gestellt.
Nach langem politischen Tauziehen um das Wendelstein-Projekt ist es jetzt soweit. Die insgesamt 425 Tonnen schwere Anlage soll einmal über 100 Millionen Grad Temperatur aushalten können. An der Fusionsmaschine arbeiten Firmen aus ganz Europa; wichtige Beiträge zur Verwirklichung haben das Forschungszentrum Karlsruhe und die Universität Stuttgart geleistet. Helmut Böttiger berichtet.
Am 27. Februar 2004 sind die ersten großen Bauteile für das Fusionsexperiment Wendelstein 7-X am Greifswalder Standort des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) angekommen. Dabei handelt es sich um eine Magnetspule, den ersten Teil des Plasmagefäßes, Gefäßstutzen und einen Mikrowellensender für die Plasmaheizung.
Durch die Kernfusion will man die Energieproduktion der Sonne auf der Erde verwirklichen und aus der Verschmelzung leichter Atomkerne Energie gewinnen. Wird das technisch nutzbar, ist auf absehbare Zeit keine Energieknappheit mehr zu erwarten. Das Fusionsplasma ist auch die Voraussetzung für eine Recycling-Wirtschaft, die diesen Namen verdient. Im Fusionsplasma lösen sich nämlich alle chemischen Verbindungen in ihre elementaren Bestandteile auf. Von daher ist es verwunderlich, daß selbsternannte grüne Umweltschützer so wenig für diese Technologie eintreten, sich nicht einmal dafür interessieren. Aber es ist andererseits auch erfreulich, daß die rot-grüne Regierung die Fusionsexperimente wenigstens noch nicht "eingespart" hat, obwohl das von grüner Seite mehrfach gefordert wurde.
Um das Fusionsfeuer zu zünden, muß in einem Kraftwerk der Brennstoff, ein Wasserstoffplasma, in Magnetfeldern eingeschlossen und auf Temperaturen von über 100 Millionen Grad C° aufgeheizt werden. Um das zu erreichen, wurden ursprünglich verschiedene Wege eingeschlagen. Nach den Erfolgen der ursprünglichen russischen Tokamak-Anlagen konzentrierte man sich weltweit auf diese Experimentauslegung. Das IPP betreibt in Garching auch eine solche, nämlich den Tokamak ASDEX Upgrade. Die größte und bekannteste ist die internationale Gemeinschaftsanlage ITER.
Interessanter ist allerdings das Stellerator-Konzept, das nicht wie der Tokamak mit einzelnen sehr kurzen Pulsen arbeitet, sondern aufgrund seiner Auslegung ein Fusionsfeuer von längerer Dauer unterhalten könnte. Das IPP betreibt in München mit dem Wendelstein 7-AS eine solche Anlage, und erzielte damit inzwischen, was die Brenndauer des Plasmafeuers angeht, Weltrekorde. Aufgrund der Erfahrung mit dem Wendelstein 7-AS wird nun in Greifswald als Nachfolger die größere Stelleratoranlage Wendelstein 7-X als weltweit größte Fusionsanlage dieses Typs gebaut. An ihr will man bereits die Kraftwerkseignung dieses Reaktortyps untersuchen. Mit bis zu 30 Minuten langen Brennzeiten soll sie die wesentliche Eigenschaft der Stellaratoren vorführen, nämlich die Fähigkeit zum Dauerbetrieb.
Speziell für den Wendelstein 7-X entwickelte man ein flexibles supraleitendes Kabel aus Niob-Titan mit einer Aluminiumhülle. Es kann im weichen Ausgangszustand in Formen eingelegt und dann durch Erwärmen ausgehärtet werden. Im Betrieb wird der Leiter mit flüssigem Helium, das im Leiterinneren fließt, auf Supraleitungstemperatur von etwa 4 Kelvin bis nahe an den absoluten Nullpunkt abgekühlt. Zwei Drittel der bestellten 60 Kilometer Kabellänge hat der Hersteller, das Konsortium European Advanced Superconductors/Europa Metalli Superconductors S.p.A., mittlerweile hergestellt.
Aus diesem Leiter entstehen im Auftrag des deutsch-italienischen Konsortiums Babcock Noell Nuclear/Ansaldo bei ABB in Augsburg und in Genua die rund 3,5 Meter hohen und 2,5 Metern breiten Spulen. An mehr als der Hälfte der 50 Spulen wird schon gearbeitet. Um die Sollform innerhalb weniger Millimeter einzuhalten, müssen die Leiterwindungen sehr präzise in ihre Wickelform gepreßt werden. Zur elektrischen Isolation wird der Leiter wie auch das gesamte Wickelpaket mit Bandagen aus Glasfaser umwunden und zur Versteifung mit Epoxidharz imprägniert. Zusätzliche Verstärkung geben massive Stahlgehäuse. Sie wurden von der schwedischen Gießerei Österby Gjuteri AB in Halbschalen gefertigt, in die die Wickelpakete bei der Babcock Noell Magnettechnik GmbH in Zeitz eingeschweißt werden. Eine Füllung aus Quarzsand und Epoxidharz im Zwischenraum zwischen Spulenkern und Stahlhülle sorgt für eine gleichmäßige Kraftübertragung vom Wickelpaket auf das Gehäuse. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich später beim Abkühlen auf Tieftemperaturen Hülle, Füllung und Wickelpaket verschieden stark zusammenziehen. Um dies auszugleichen, wird das Gehäuse vor dem Imprägnieren aufgeheizt. Das sich ausdehnende Gehäuse schrumpft beim Abkühlen wieder. Die Temperaturdifferenz ist so berechnet, daß die Spule genau bei ihrer tiefen Betriebstemperatur spannungsfrei bleibt.
Die fertige Spule wird anschließend mit Kühlrohren und -blechen versehen, und sie erhält Füße und Halter zur Befestigung der rund sechs Tonnen schweren Bauteile am Stützgerüst des Reaktors. Zur Prüfung der Betriebseigenschaften werden die Spulen nach Saclay in Frankreich zu einer Testanlage der CEA transportiert und bei Tieftemperatur geprüft. Die erste Spule war hier im Juni 2003 angekommen. Zwei Stellarator-Spulen haben die Tests seither erfolgreich durchlaufen.
Das innerhalb der Spulen liegende Plasmagefäß ist in seiner Form dem verwundenen Plasmaschlauch angepaßt. Die komplexe Form macht wegen der verlangten hohen Maßgenauigkeit die Herstellung zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Um die bizarre Form in Stahl nachzubilden, wird das ringförmige Gefäß aus 200 einzelnen Ringen aufgebaut. Jeder Ring wird aus mehreren fingerdicken und 15 Zentimeter breiten Stahlblechstreifen zusammengesetzt, die vielfach geknickt die geschwungenen Konturen nachformen. Ultrahochvakuumdicht verschweißt sind so mittlerweile sieben der 20 Sektoren fertiggestellt.
Mit scharfem Wasserstrahl werden anschließend in die Gefäßteile insgesamt 299 Löcher geschnitten, durch die das Plasma später beobachtet und aufgeheizt werden soll. Ebenso viele Stutzen, die gut wärmeisoliert zwischen den Spulen hindurchgeführt werden, verbinden diese Öffnungen mit der Außenwand des Kryostaten. Da sich beim Abkühlen auf Supraleitungstemperatur alles zusammenzieht, werden die Stutzen für diesen Längenausgleich mit beweglichen Bälgen ausgerüstet. 60 Stutzen liegen beim Schweizer Hersteller Romabau versandfertig, zwei wurden schon ausgeliefert.
Er wird nun dazu benutzt, das zugehörige Übertragungssystem zu testen. Dessen Entwicklung hat das Institut für Plasmaforschung der Universität Stuttgart übernommen. Die Mikrowellen werden über wassergekühlte Metallspiegel vom Sender in das Plasma gelenkt. Die anspruchsvollen Bauteile müssen die Mikrowellen aus ihren zehn Einzelstrahlen zusammenfügen, sie trotz der hohen Leistung von zehn Megawatt zerstörungsfrei und mit möglichst geringen Übertragungsverlusten, außerdem im richtigen Polarisationszustand und exakt gebündelt an der jeweils gewünschten Stelle in das Plasma schicken. Von den insgesamt vorgesehenen 140 Spiegeln sind 100 installiert. Bis auf die Teile im Plasmagefäß, die erst nach dem Experimentaufbau montiert werden können, ist das Übertragungssystem damit fertig aufgebaut. In den jetzt laufenden Hochleistungstests werden alle Komponenten in ihrem Zusammenwirken geprüft - neben dem Übertragungssystem also auch Kühlung, Hochspannungsversorgung, Messtechnik und Datenerfassung. Parallel wird schon das zweite, von der US-Firma Communication and Power Industries entwickelte Gyrotron aufgebaut. Erste Tests sind für den April 2004 vorgesehen.
Die Informationen stammen vom Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Abteilung Öffentlichkeitsarbeit, Isabella Milch, Boltzmannstraße 2, D-85748 Garching, Tel. 089-3299-1288
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