Innovative Umrüstung ungenutzter Kapazitäten paßte besser zur VW-Tradition als der angekündigte Abbau von
Warum nicht Fertigungsstraßen nutzen, um zukünftig Teile für den Transrapid oder CargoCap herzustellen, schlägt Gabriele Liebig in ihrem Artikel vor.
Seit Oktober 2005 ist Porsche mit 18,5 % der VW-Aktien größter Einzelaktionär des Volkswagenwerks in Wolfsburg und will seinen Aktienanteil auf 22 % aufstocken. Auf der Jahresversammlung der Porsche-Aktionäre am 26. Januar 2006 in Stuttgart erläuterte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking noch einmal die Gründe für die Aufstockung der VW-Anteile. Man habe damit eine feindliche Übernahme durch eine Gruppe anglo-amerikanischer Hedgefonds und Beteiligungsgesellschaften abgewendet. Einige Fondsmanager und insbesondere die Bank J.P. Morgan hatten Porsche deswegen scharf kritisiert.
Am 10. Februar kündigte der VW-Konzern an, für 41,7 Millionen Euro Stammaktien aus dem eigenen Besitz einzuziehen. VW hält derzeit 13 % der in Umlauf befindlichen Aktien. Wenn sie eingezogen sind, bezieht sich der relative Porsche-Anteil nur noch auf 87 % des bisherigen Kapitals. Dadurch steigt Porsches Anteil von 22 auf 25 %. Es gilt als sicher, daß der Aufsichtsrat dem Einzug der Aktien am 24. Februar zustimmen wird. Es handelt sich nämlich um eine vorbeugende Verteidigungsmaßnahme für den Fall, daß der Europäische Gerichtshof (EGH) das VW-Gesetz demnächst verbietet. Die EU-Kommission hatte 2003 gegen das VW-Gesetz von 1960 Anklage erhoben, da es angeblich gegen die Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages verstoße.
Nach dem VW-Gesetz darf kein Aktionär in der Aktionärsversammlung mehr als 20 % der Stimmen geltend machen, selbst wenn er mehr Anteile besitzt. Außerdem sieht das Gesetz bei wichtigen Entscheidungen eine Sperrminorität von 20 % vor. Bislang war das Land Niedersachsen mit rund 18 % der größte Einzelaktionär, was der neoliberal eingestellten EU-Kommission schon lange ein Dorn im Auge war. Falls der EGH das VW-Gesetz demnächst verbieten sollte, wäre Porsche der größte Einzelaktionär und könnte kurzsichtige, vom Shareholder Value geprägte Fehlentscheidungen mit seiner Sperrminorität verhindern, selbst wenn Hedgefonds sich massiv bei VW einkaufen würden und Niedersachsen VW-"Tafelsilber" verkaufen müßte.
Was Porsche-Chef Wiedeking von feindlichen Übernahmen und Hedgefonds hält, machte er bei der letzten Aktionärsversammlung Ende Januar in Stuttgart deutlich. Es sei eine Illusion zu glauben, daß irgendein Rentenfonds oder Hedgefonds-Manager in Denver oder Las Vegas an der Arbeitsplatzsituation in Deutschland interessiert sei. Diese Manager entschieden nur in Hinsicht auf kurzfristige Profite, selbst wenn dies die Zerstörung jahrhundertealter Unternehmen bedeute. Nach der Logik gewisser "angelsächsischer Investmentbanken", so Wiedeking offenbar in Anspielung auf J.P. Morgan, dürfte "es uns gar nicht geben". Doch warum sollte jemand auf den Rat amoklaufender Finanzinvestoren hören?
Jedenfalls verrät der "Sanierungsplan" des VW-Chefs Pischetsrieder vor allem einen auffallenden Mangel an jenem Pioniergeist, der den Aufbau des Volkswagenwerks nach dem Kriege überhaupt ermöglichte. Aus einer Reparaturwerkstatt für die britische Besatzungsarmee wurde der Schrittmacher des Wiederaufbaus und das deutsche Modell der Mitbestimmung mit einem Beirat, in dem Betriebsleitung, Arbeitnehmer und Staat zu je einem Drittel vertreten waren.
VW-Generaldirektor Heinrich Nordhoff sagte am 5. Januar 1948 in seiner ersten Ansprache an die Belegschaft: "Wir brauchen Autos, weil es ohne das Automobil keinen deutschen Wiederaufbau, ohne deutschen Automobilexport kein Überwinden der Not geben kann... An uns wird es liegen..., aus dieser Fabrik einen ausschlaggebenden Faktor der deutschen Friedenswirtschaft zu machen..., es zu einem Schrittmacher des Aufbaus werden zu lassen."
Der VW war nie ein normales Auto. Zuerst hielt es keiner für möglich, dann wollte es keiner bauen, doch am Ende wurde der von Ferdinand Porsche konstruierte "Käfer" ein Welterfolg: wegen des luftgekühlten Motors arktis- und tropenfest, und vor allem erschwinglich für die verarmten Nachkriegsdeutschen, die 1948 fast alle bei Null anfingen. Darin orientierte der "Volkswagen" sich ausdrücklich an Henry Fords berühmtem "Modell T". Die Leute, die das Auto herstellten, sollten es sich selber auch leisten können. Nordhoff zahlte, sobald er dazu in der Lage war, die besten Löhne Deutschlands. Und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gab es in Wolfsburg, lange bevor sie gesetzlich eingeführt wurde.
Diese Tradition verpflichtet auch. Warum kann man jetzt, wo Herstellung und Absatz von PKWs aus verschiedenen Gründen eine Grenze findet, nicht genauso einfallsreich sein wie beim Wiederaufbau und zum Pionier der heute modernsten und angemessensten Verkehrssysteme werden? Dazu müßte man allerdings Regierung und Bundestag überzeugen, mit all den Innovationsversprechen endlich ernst zu machen und im "Land der Ideen" wirklich innovative Systeme endlich einmal umzusetzen: radlose Verkehrssysteme wie die Magnetschwebebahn Transrapid, das unterirdische Rohrleitungssystem CargoCap zur Beförderung von Stückgut oder die Neue Bahntechnik Paderborn für den automatisierten Personenverkehr.
Wie sagte doch Heinrich Nordhoff 1948? "Die Zukunft wird so sein, wie wir sie gestalten!"
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