März 2003:
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Vatikan vermittelt im Irakkonflikt

Der Papst bei dem ökumenischen Treffen in Assisi In der Vatikanzeitung L´OSSERVATORE ROMANO und in anderen, dem Vatikan nahestehenden Publikantionen, kommt zum Ausdruck, daß der Papst und die Kurie in Rom alle Kräfte gegen den drohenden Irak-Krieg und für einen Dialog der Kulturen (wie hier in Assisi) mobilisieren.

Ähnlich wie bei der Kubakrise vor vier Jahrzehnten steht in der gegenwärtigen Irakkrise die Diplomatie des Vatikans im Mittelpunkt der Friedensanstrengungen. Im Oktober 1962 vermittelte der damalige Papst Johannes XXIII. zwischen Moskau und Washington, damit der Frieden erhalten werden und gleichzeitig die beiden verfeindeten Supermächte ihr Gesicht wahren konnten. Sicherlich schwebt heute Papst Johannes Paul II. dies Vorbild seines Vorgängers Roncalli vor. In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag verglich der Papst ausdrücklich die Kubakrise, als die Welt am Rande des Atomkrieges stand, mit den Gefahren der heutigen "Welt-Unordnung". Nach Aussage seiner Mitarbeiter sieht der Papst in der jetzigen Friedensmission die wichtigste Aufgabe der Spätzeit seines Pontifikats. Seit dem letzten Treffen des Weltsicherheitsrats mobilisiert der Vatikan in enger Abstimmung mit der deutsch-französisch-russisch-chinesischen Allianz im UN-Sicherheitsrat alle seine diplomatischen Möglichkeiten. Die Strategie besteht darin, die kleine Öffnung nach dem letzten Bericht der UN-Waffeninspekteure als Chance zu nutzen, um den scheinbar unmöglichen Dialog zwischen den Kontrahenten USA und Irak zustande zu bringen. Man will nach einem für beide Seiten annehmbaren Kompromiß suchen, so daß US-Präsident Bush und Saddam Hussein am Ende beide sagen können: "Wir haben den Weltfrieden gerettet und unser Volk vor Leid bewahrt."

Die entscheidende Rolle des Heiligen Stuhls wurde schon am 9. Februar erkennbar, als der Papst und seine Mitarbeiter als erste von Bundesaußenminister Fischer über die deutsch-französische Initiative für "verstärkte Inspektionen" informiert wurden. Anschließend schickte der Vatikan seinen "Mann, der Unmögliches möglich macht", Kardinal Roger Etchegaray, nach Bagdad. Nach seinem eineinhalbstündigen Gespräch mit Saddam Hussein sagte Kardinal Etchegaray: "Er hat mir sehr aufmerksam zugehört. Ich bin überzeugt, daß Saddam Hussein jetzt den Krieg vermeiden möchte." Einzelheiten über das Gespräch wurden nicht mitgeteilt; möglicherweise ging es um neue Vorschläge aus Rom, denn Saddam Hussein hatte sich zu dem Treffen mit Etchegaray erst entschlossen, nachdem sein Vizepremier Tariq Aziz in Rom mit Papst Johannes Paul II. gesprochen hatte. Etchegaray meinte, das Gespräch mit Saddam Hussein habe "konkrete Ergebnisse" gebracht. 1962 hatte der Vatikan Erfolg mit dem Kompromißvorschlag, daß die USA ohne viel Aufhebens ihre Raketen aus Süditalien abziehen würden, wenn die Sowjets die ihren aus Kuba abzögen. Um zu unterstreichen, daß die vatikanische Diplomatie im Rahmen der UNO erfolgt, flog UN-Generalsekretär Kofi Annan nach Rom und hörte im Beisein des Papstes einen ausführlichen Bericht von Etchegaray.

Damit ist die halbe Arbeit getan. Die nächste Hürde ist, die US-Regierung zu überzeugen. Im Vatikan wird recht offen eingeräumt, daß man dort kaum über Gesprächspartner verfügt. Bushs Sicherheitsberaterin Rice hatte die Friedensarbeit des Vatikans öffentlich kritisiert - so etwas ist bisher noch nie vorgekommen. Schon vorher hatte Washington Ablehnung demonstriert, indem der US-Botschafter am Heiligen Stuhl Jim Nicholson (ein ehemaliger Spendensammler der Republikanischen Partei) den neokonservativen US-Theologen Michael Novak nach Rom einlud. Novak sollte erläutern, warum die amerikanische Präventivkriegs-Doktrin nicht im Widerspruch zur traditionellen kirchlichen Lehre vom gerechten Krieg stehe. Am 9. Februar wurde Novak von Kardinalstaatssekretär Sodano, dem "Außenminister" des Vatikans Monsignore Tauran und Monsignore Martino "examiniert". Er hinterließ jedoch einen schlechten Eindruck, weil er "offensichtlich nicht gewillt war, zuzuhören", wie der Corriere della Sera aus dem Vatikan erfuhr.

Botschafter Nicholson und sein Kollege, der US-Botschafter in Italien Sembler, taten sich mit oligarchischen Kreisen des sog. "schwarzen Adels" zusammen, um Unterstützung gegen den Papst zu mobilisieren. Der Strategieexperte Andrew Erdmann vom US-Außenministerium wurde nach Rom eingeflogen, um im Salon der Gräfin Elvina Pallavicini - sie gilt als Oberhaupt des schwarzen Adels in Rom - vor Diplomaten, Aristokraten, Prälaten und italienischen Regierungsmitgliedern zu sprechen. Angesichts dieser feindseligen Aktivitäten fragt man sich im Vatikan, ob es Washington wirklich nur darum geht, den Irak zu entwaffnen, oder ob dahinter größere, geheime Pläne stecken, d.h. ein geopolitisches Spiel, in dem der Irak nur der erste Zug ist. Dies kam in einem Kommentar zum Ausdruck, den der Direktor von Radio Vatikan, Pater Pasquale Borgomeo SJ, am Tag von Annans Treffen mit dem Papst verfaßte. Eine Supermacht trete "wie zu einem Kreuzzug" an, so Borromeo. Scheinbar sei für Washington Diplomatie nur "Zeitverschwendung", das Völkerrecht nur "ein großes Hindernis", und die UN ein "Verein von Sophisten".

Aber noch gibt der Papst die Hoffnung nicht auf. Die Frage ist, auf welchen Wegen der Vatikan die amerikanische Regierung zu einem Kurswechsel bewegen kann. Der traditionelle Kanal, die italienische Regierung, schien weitgehend auszufallen. Der Vatikan ist enttäuscht über den abrupten Gesinnungswandel von Regierungschef Berlusconi, der am 29. Januar nach London und Washington reiste, um Bush und Blair näher an die europäische Position heranzubringen, dann aber mit der Erklärung der "acht Verräter" plötzlich die Seiten wechselte. Nach zähem Ringen insbesondere des christdemokratischen Teils der Regierung hat Berlusconi seinen Kurs inzwischen teilweise korrigiert. Die offizielle Zeremonie nach Kofi Annans Treffen mit dem Papst bot Gelegenheit für ein Treffen einer vatikanischen Delegation unter Kardinal Sodano mit italienischen Regierungsvertretern. Wenn die italienische Regierung wieder einschwenkt, könnte das der Sache des Friedens sehr nutzen, da Berlusconi einen guten persönlichen Draht zu US-Präsident Bush hat. Ein positives Zeichen setzte die außenpolitische Debatte im italienischen Senat am 19. Februar, bei der die Regierung einem von Senator Giulio Andreotti beantragten Zusatz zu ihrer Resolution zustimmte, der besagt, daß über alle weiteren Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats zum Irak im Parlament abgestimmt werden muß.

Der Papst und seine Mitarbeiter sind bereit, in den nächsten Wochen alles Notwendige zu tun, um den Frieden zu erhalten. Ein Hauptziel ist ein Besuch Kofi Annans in Bagdad, aber das ist ohne Einverständnis der USA unmöglich. Kardinal Etchegaray befindet sich jetzt auf Haiti in Wartestellung, jeden Augenblick bereit, Bush oder Powell zu treffen. Auch Johannes Paul II. ist bereit für eine neue Reise, und zwar nach Zentralasien, wie seine Mitarbeiter gegenüber der italienischen Presse erklärten. Dies ist sicherlich sinnvoll, zumal es bei dem Konflikt eigentlich nicht um den Irak geht, sondern um ein "Großes Spiel" zur Kontrolle des eurasischen Kontinents. Auch in diesem größeren Zusammenhang gilt es, einen "Kampf der Kulturen" zu verhindern.


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