Hartes Urteil gegen Cheminade wegen 'Verleumdung'
Ein äußerst hartes Urteil gegen den früheren Präsidentschaftskandidaten Jacques Cheminade und seinen Mitarbeiter Eric Sauzé läßt Beobachter des Prozesses vermuten, daß das Urteil schon vor der Verhandlung geschrieben wurde oder auf Druck des Klägers - Justizminister Dominique Perben - zustandekam.
Jacques Cheminade, der Präsident unserer Schwesterpartei in Frankreich, Solidarité et Progrès, spricht beim letzten Europa-Parteitag der BüSo.
"Französisches Gericht verhängt harte Strafe gegen Jacques Cheminade wegen 'öffentlicher Verleumdung eines Regierungsmitglieds, das seine Aufgaben erfüllt'," lautete am 11. Oktober die Überschrift einer Meldung der Nachrichtenagentur EIRNS. Cheminade, ein langjähriger Freund und Mitstreiter Lyndon LaRouches, kandidierte 1995 und 2002 in Frankreich für das Präsidentenamt, zuletzt als Kandidat der Partei Solidarité et Progrès. Er war von Justizminister Dominique Perben wegen eines Flugblatts verklagt worden, das die Partei verbreitet hatte.
Das Urteil wurde schon zwei Wochen nach der Verhandlung veröffentlicht, eine außerordentlich kurze Zeit für französische Gerichte, und war nicht nur äußerst hart, sondern auch absichtlich in beleidigendem Tonfall abgefaßt, ohne auf die Argumente der Verteidigung in irgendeiner Weise einzugehen. Cheminade wurde zu einer Geldstrafe von 15 000 Euro verurteilt, wovon die Hälfte sofort zu zahlen ist, während die andere Hälfte zur Bewährung ausgesetzt wurde und nur im Fall einer Wiederholung fällig wird - offenbar, um Cheminade mundtot zu machen. Sein Mitangeklagter Eric Sauzé, Leiter des Büros der Solidarité et Progrès in Lyon, wurde als "Komplize" zu 10 000 Euro Strafe verurteilt, die ebenfalls zur Hälfte auf Bewährung ausgesetzt wurde.
Die hohe Strafe stand in so scharfem Kontrast zur Atmosphäre der Gerichtsverhandlung, daß einige Journalisten, die das Verfahren verfolgt hatten, vermuten, daß entweder der Minister selbst Druck auf das Gericht ausgeübt hat - Dominique Perben hat erst jüngst Frankreichs Justizapparat reorganisiert und unter seinen politischen Einfluß gebracht - oder das Urteil schon vor der Verhandlung abgefaßt wurde.
Am empörendsten sind die folgenden Passagen des Urteils:
- "Wir können feststellen, daß die Angeklagten durch die Darlegung der für sie sprechenden Beweise zugegeben haben, daß das verbreitete Flugblatt verleumderischer Natur ist." In anderen Worten: Wenn man Beweise vorlegt, um seine Unschuld zu beweisen, zeigt dies, daß man sich seiner Schuld bewußt ist, weil man das Gefühl hat, sich verteidigen zu müssen!
- Das Gericht konzentriert sich ganz auf die Gegenüberstellung zweier Bilder - eines zeigt wie Pétain Hitler in Montoire per Handschlag begrüßt, das andere wie Perben dem amerikanischen Justizminister John Ashcroft die Hand schüttelt. Es übergeht jedoch völlig den Inhalt des Flugblattes. Offensichtlich, weil es in dem Flugblatt heißt, daß der Skandal damals wie heute in der "Kollaboration" liegt. Es sagt nicht, daß Perben und Pétain sonst irgendwie vergleichbar seien. Diese Kollaboration liegt darin, daß das Perben-II-Gesetz Ashcrofts "Patriot"-Gesetz sehr ähnlich ist - eine Tatsache, die Perben selbst in einem Interview zugegeben hat, daß er am 11. Mai 2004 im Hotel Four Seasons in Washington amerikanischen Journalisten gab. Perben sagte damals, das Gesetz habe "eine interessante Dimension... die Möglichkeit, daß ausländische Geheimdienste im Rahmen dieses Gesetzes auf französischem Territorium tätig werden können."
In dem Flugblatt mit der Überschrift "Verhindern wir Festnahmen des FBI in Frankreich!" wurde auch erklärt, daß Ashcrofts ultra-neokonservative Politik zu einem neuen Faschismus führe. Ohne zu berücksichtigen, daß es sich um eine Aussage über Ashcroft handelt, argumentiert das Gericht, als hätten die Angeklagten damit Perbens Politik charakterisiert!
- Das Gericht sagt weiterhin, daß die verleumderischen Behauptungen über Perben "einen Vergleich zwischen zwei Perioden der Geschichte Frankreichs ziehen, die hinsichtlich der Bürger- und Menschenrechte nichts miteinander gemein haben" - als wäre Perbens Gesetz ohne Präzedenzfall wie eine unbefleckte Geburt.
- Die hohen Geldstrafen gegen Cheminade und Sauzé - die sich in beiden Fällen auf mehr als das Doppelte ihres Jahreseinkommens beläuft - begründet das Gericht damit, daß die beiden "objektiv über Ressourcen verfügen können, die es ihnen erlaubten, 25 000 Exemplare des Flugblattes zu drucken", was jedoch nur 1147 Euro kostete, weniger als ein Zwanzigstel der Geldstrafen.
Cheminade und Sauzé haben Berufung gegen das Urteil eingelegt. Aber über diese Berufung wird ebenfalls in Lyon entschieden, wo Perben, der hier bei den 2007 oder 2008 stattfindenden Kommunalwahlen zum Bürgermeister gewählt werden will, alles versuchen wird, Herr der Lage zu bleiben.
Perben wird derzeit von dem linken Sozialisten Arnaud Montebourg wegen des Skandals im Fall Aubert scharf angegriffen. Perbens Mitarbeiter Aubert ist Schatzmeister seiner Partei in Chalons-sur-Saone. Das Magazin Lyon Mag veröffentlichte auf der Titelseite ein Interview mit Montebourg, indem er Vorwürfe gegen Perben erhebt, gegen die Perben bisher noch nicht vorgegangen ist.
Dies ist den politischen Beobachtern nicht entgangen, die auf das Ergebnis der amerikanischen Präsidentschaftswahlen warten. Cheminade und Sauzé hatten in ihrem Flugblatt ihre Überraschung über Perbens Vorgehen geäußert, weil Ashcroft während des Irakkriegs zu den schlimmsten Gegnern des französischen Präsidenten Jacques Chirac und seines damaligen Außenministers Dominique de Villepin gehörte. Auch darauf ist das Gericht in seinem Urteil nicht eingegangen.
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