November 2005:

Neocon Sarkozy für Unruhen verantwortlich

Les Sarkociseaux
Auslöser der Unruhen in den Pariser Vororten ist eine gezielte Kampagne des Innenministers Sarkozy, womit er im rechten Milieu Frankreichs für seine Präsidentschaftskandidatur 2007 punkten will.

Der Scherenmensch "Sarkociseaux" treibt sein Unwesen in Paris. Dargestellt wird die Szene von Mitgliedern unserer französischen Schwesterpartei "Solidarié et Progrès".

Die Armut in Frankreichs Einwanderer-Vororten ist seit vielen Jahren notorisch. Die Arbeitslosigkeit liegt bei mindestens 25 % und oft über 50 %, vor allem bei den Jugendlichen. Arbeitslosigkeit, Armut und Kriminalität sind das tägliche Brot der banlieus. Bandenkämpfe, Ausschreitungen, Autorennen, brennende Fahrzeuge und sogar bewaffnete Angriffe auf Polizeistationen wurden in den letzten Jahren immer häufiger. In diesen Gebieten sind Waffen aus dem ehemaligen Ostblock oder dem Balkankrieg zu Billigpreisen zu haben. Vor zwei Jahren unternahm eine Bande sogar einen Angriff mit einer Panzerfaust auf ein Polizeikommissariat in der noch relativ reichen Stadt Asnières sur Seine bei Paris.

Sarkozys Provokationen

Was in der vergangenen Woche die Vorstädte in Brand setzte, war jedoch nicht die wirtschaftliche, soziale und politische Lage, so schrecklich sie auch ist, und auch nicht der Tod zweier Jugendlicher, die am 27. Oktober in Clichy sous Bois auf der Flucht vor einer Polizeikontrolle in eine Trafostation gerieten und dort umkamen. Es war Innenminister Nicolas Sarkozys systematische Kampagne seit seiner Rückkehr in die Regierung im Juni, mit der er das protofaschistische Ferment um Jean Marie Le Pen von der Nationalen Front und um Philippe de Villiers von der Bewegung für Frankreich für seine Präsidentschaftskandidatur 2007 gewinnen will.

Sarkozy, ein erklärter Gegner des Modells der französischen Republik und unverhohlener Bewunderer Napoleons, hat seitdem immer neue Provokationen von sich gegeben. Nach dem Mord an einem Kind in La Courneuve (Seine Saint Denise), einer der schwierigsten Vorstädte von Paris, erklärte Sarkozy am 20. Juni, er sei bereit, diese Vorstädte mit Ätznatron zu säubern. Am 25. Oktober hatte er bei einem Besuch in einer anderen Vorstadt, Argenteuil, seine Provokationen weiter eskaliert, indem er eine Verstärkung der Polizeieinsätze in diesem Gebiet ankündigte, um mit dem "Pöbel" fertigzuwerden. Rund 200 Jugendliche aus einem der Problembezirke demonstrierten gegen ihn und warfen hunderte von Steinen und leeren Flaschen auf den Minister, der sich fluchtartig in Sicherheit bringen mußte. Nach den Unruhen in Clichy-sous-Bois ging Sarkozy ins nationale Fernsehen TF1. Er versprach in kriegerischer Manier eine "Null-Toleranz" und kündigte an, er werde 17 Sondereinsatz-Kommandos (RSC) und sieben Schwadrone der mobilen Gendarmerie dorthin schicken.

Sarkozys Haltung hat jetzt einen öffentlichen Aufschrei nicht nur der linken Opposition, sondern auch in den Reihen seiner eigenen Partei UMP ausgelöst. In der UMP-Fraktion der Nationalversammlung kam es zu einem hitzigen Streit zwischen den Anhängern Sarkozys und den Unterstützern Chiracs und de Villepins. Aber auch einige der Freunde des Innenministers distanzieren sich von dessen provokanten Äußerungen. George Mothron, Abgeordneter der UMP und Bürgermeister von Argenteuil erklärte, er habe in Argenteuil, wo er seit seiner Geburt lebt, noch nie eine Gewalttat erlebt, bis zwei Tage nach Sarkozys Besuch ein Auto angezündet wurde. Eine Gruppe von 15 Jugendlichen habe ihm später erklärt, daß die beiden Ereignisse zusammenhingen. "Ich bin für eine harte Hand gegen Kriminelle", sagte Mothron, "aber ich sagte Sarkozy, wenn er wieder nach Argenteuil komme, sollte er lieber die Fälle gelungener Integration hervorheben." Ein anderer Abgeordneter aus einem Pariser Vorort, der anonym bleiben wollte, wurde von Le Monde zitiert, die Vertreter der Pariser Vororte "fürchten weitere Besuche Sarkozys". Er hoffe, "er kommt das nächste Mal nicht zu mir." Le Monde zitierte Jean Claude Abrioux, Abgeordneter der UMP aus dem Departement Seine Saint Denis, der die "übertriebenen Äußerungen von Herrn Sarkozy" verurteilte und sagte: "Es gibt Worte, die man nicht verwenden darf, denn man bringt damit die Menschen gegen sich auf." Der Generalsekretär der Polizeigewerkschaft, Francis Masanat, bat Sarkozy, seine Erklärungen zu mäßigen: "Es ist leicht, die Jugend in Wut zu versetzen und dann schlafen zu gehen."

Mit Sarkozys brutalem Präsidentschaftswahlkampf spielt die Regierung mit dem Feuer. Sie ließ die Krise mehrere Tage eskalieren, bevor sie einschritt. Offenbar rechnete sie darauf, daß Sarkozy sich weiter diskreditieren werde, weil er nicht in der Lage war, die Krise zu meistern, die er heraufbeschworen hatte.

Europa soll destabilisiert werden

Sarkozys Machenschaften stehen jedoch ganz im Einklang mit dem internationalen Machtkampf; es geht darum, wer das amerikanische Präsidentenamt und damit die Welt beherrscht - zwischen dem Bündnis der vernünftigen Kräfte unter der Führung Lyndon LaRouches einerseits und der neokonservativen Gruppe um Cheney, Sarkozy, Blair und Merkel andererseits. Den Neokonservativen ist es mit dem Durcheinander in Deutschland nach der Bundestagswahl und der Spaltung der französischen Regierung in zwei sich bekämpfende Lager gelungen, Kontinentaleuropa zu destabilisieren.

Die Tatsache, daß Tony Blair und Peter Mandelson der EU unter völliger Mißachtung der 2001 erklärten Position des Europarates ihre Agrarpolitik aufzwingen konnten, ist ein weiteres Indiz dafür, daß die Neocons derzeit in Europa Amok laufen. Sarkozys Maßnahmen zielen darauf ab, die Regierung in einer entscheidenden Zeit zu paralysieren.

In den letzten 48 Stunden hat jedoch Ministerpräsident de Villepin die ganze Angelegenheit in die Hand genommen und die Richtung geändert. Bei einem Treffen der UMP-Fraktion in der Nationalversammlung hatte er zwar einige lobende Worte für die Sicherheitspolitik Sarkozys, dann folgte jedoch ein unmißverständlicher Seitenhieb: Man müsse es "vermeiden, eine Minderheit, die Unordnung schafft, mit der großen Mehrheit der Jugend zu verwechseln, die sich in diese Gesellschaft integrieren und es schaffen wollen." De Villepin kündigte ein umfassendes Programm für die Vorstädte an, das noch in diesem Monat verabschiedet werden soll, und erklärte, die Sicherheitspolitik müsse mit sozialer und wirtschaftlicher Gerechtigkeit Hand in Hand gehen.


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