August 2002:
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Bürgerrechtsbewegung "Rütli"

Wilhelm Tell-Probe in Los Angeles
Das Mitglied des Landesverbands Holger Birke, berichtet über eine Tell-Aufführung bei den diesjährigen Freilichtspielen in Schwäbisch Hall. Im folgenden schildert er Handlung und Zweck des Stücks.

Eine Szene desselben Stücks bei einer Theaterprobe zeigt nebenstehendes Bild - mit jugendlichen LaRouche-Aktivisten im vergangenen Jahr in Los Angeles.

"Es kann der Frömmste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt."

"Die Axt im Hause erspart den Zimmermann."

"Durch diese hohle Gasse muß er kommen..."

All diese Zitate, längst im deutschen Sprachraum schon zu geflügelten Worten geworden, stammen aus Schillers Bearbeitung des legendären "Tell-Stoffes" vom Anfang des 14. Jahrhunderts, zu der ihn einst Goethe angeregt haben soll.

Es ist ein Drama um den Freiheitswillen eines unterdrückten Volkes, das sich erfolgreich gegen Frondienste, Herrscherwillkür und andere Ungerechtigkeiten zur Wehr setzt. Am Beispiel einzelner Schicksale, die zum Teil historisch verbürgt, zum Teil fiktiver Natur sind, zeigt Schiller die Zustände in den von der Habsburger Monarchie verwalteten, oder besser gesagt "beherrschten" Schweizer Kantonen Schwyz, Uri und Unterwalden: Drakonische Strafen für vereinzelten spontanen Widerstand, Sippenhaft, Frondienste selbst für Schwache und Alte sowie Erniedrigungen jeder Art sind an der Tagesordnung. So muß sich ein jeder Bürger vor einem vom Landvogt Geßler "zur Probe der Untertänigkeit" zur Schau gestellten Hut verneigen. Wer es nicht tut, zeige damit "seine Aufmüpfigkeit" und muß mit Sanktionen rechnen.

An den vorgeführten Schicksalen erweist sich, daß der Einzelne in der Tat kaum etwas ausrichten kann und der Willkür der Macht ausgesetzt ist. Aber das "Volk der Hirten und Bauern", die sich das Land seit Generationen von der Natur abgetrotzt haben, will sich nicht kampflos ergeben. Dabei beklagen sie nicht die Herrschaft des Kaisers, sondern daß sie als freies Volk von freien Bürgern Recht und Gesetz entbehren müßten, was eine von Gott gegebene Staatsform sicherzustellen hätte.

Und so regt sich Widerstand am steilen Berghang der großen Treppe zu St. Michael in Schwäbisch Hall, die einmal mehr auch in diesem Jahr eine eindrucksvolle Kulisse für ein großes Werk der deutschen Klassik abgibt.

An einem Flecken am Ufer des Vierwaldstätter Sees, der "Rütli" genannt wird, treffen sich aus allen drei Landesteilen angesehene Bürger ("die Besten des Landes") um das gemeinsame Ziel zu bestimmem und zu beratschlagen, wie es zu erreichen sei.

Die Titelfigur Wilhelm Tell, weithin als guter Schütze bekannt, ist jedoch nicht dabei. Er ist kein Revolutionär, dem es ums Prinzip, um seine oder die Ehre seines Volkes geht. Der treusorgende, fast biedere Familienvater gerät eher aus Unachtsamkeit in die Situation, Farbe bekennen zu müssen, und wird aus Selbstverteidigung zum Helden: Erwischt dabei, sich nicht gebührend vor dem "Popanz" erniedrigt zu haben, kann er die gegen ihn zu verhängende Strafe nur abwenden, wenn er nach dem sadistischen Willen des tyrannischen Landvogts Geßler mit seiner Armbrust auf 80 Schritt einen Apfel vom Kopf seines eigenen Sohnes schießt. Zwar gelingt der Schuß, aber Tell wird trotzdem gefangen genommen, weil er Geßler gegenüber ehrlich bekennt, für wen der zweite Pfeil griffbereit im Köcher steckte:

"Mit diesem zweiten Pfeil durchschoß ich Euch Wenn ich mein liebes Kind getroffen hätte."

Tell kann aber entfliehen und beschließt, dem Tyrannen in besagter hohlen Gasse zu Küßnacht aufzulauern, um sich, seine Familie und sein Volk von Tyrannen zu befreien. Als sich die Nachricht vom Tode Geßlers verbreitet, zerstören die Eidgenossen die Zwingburgen und verjagen die Vögte. Da kommt die Kunde, der allein noch gefürchtete habsburgische Kaiser sei von seinem Neffen Herzog Johannes von Schwaben wegen eines vorenthaltenen Erbes erschlagen worden. Der flüchtige Mörder sucht bei Tell Asyl, doch der weist jede Gemeinsamkeit seiner Tat mit der des ehrsüchtigen Meuchelmörders von sich; er selbst habe Geßler aus Notwehr getötet, um die Seinen zu schützen, um das Vaterland vor dem Feind und dem Volk die Freiheit zu bewahren: "Gemordet hast du, ich hab mein Teuerstes verteidigt."

Mit diesem Stück verarbeitete Schiller einmal mehr utopisch-heroische Auffassungen von Staatsbürgerlichkeit, die auf naturrechtliche Ideale der Amerikanischen und Französischen Revolution zurückgehen. Nicht die adlige Elite des bedrängten Bergvolkes ist es nämlich, die hier die Führung übernimmt, sondern der mündige Bürger, der die Not erkennt und den Mut hat, sich politisch zu organisieren. Zwar gibt es noch einen Sinneswandel des Erben Ulrich von Rudenz, sich nicht den Österreichern anzuschließen, sondern zu "seinem" Volk zu stehen, doch sind die Gründe dazu durchaus nicht nur heroischer, sondern auch sehr privater Art, denn

1. er gewinnt damit die Hand seiner Angebeteten, der reichen Erbin Bertha von Bruneck, die in dem Stück interessanterweise Trägerin der Ideale vom Guten und Schönen zu sein scheint, und

2. was, wenn Werner Stauffachers Frage: "Was braucht's des Edelmanns?" nicht nur beim Schwur, sondern auch nach dem vollzogenen Umsturz gestellt würde?

Daß im Schlußtableau das junge Neu-Bannerherren-Brautpaar huldvoll alle seine Untertanen für frei erklären muß, mag wohl dem Umstand zu verdanken sein, daß man sich zu Zeiten der Uraufführung 1804 keine andere Staatsform vorstellen konnte oder durfte.

Um so bedeutsamer, daß es Schiller gelang, in diesem späten Werk so fortschrittliche Ideen von Staatskunst niederzulegen, daß sie uns teilweise heute noch zu ihrer Verwirklichung auffordern.

Dem Ensemble der Freilichtspiele Schwäbisch Hall mit Intendant und Regisseur Achim Plato ist zu danken, daß sie diesen Klassiker in solider Inszenierung und handwerklich professioneller Ausführung dieses Jahr neben Kasimir und Karoline von Ödön von Horvath und dem modernen Mysterienspiel Jesus Christ Superstar auf die große Treppe gebracht haben. Zusätzlich gibt es im Schwäbisch Haller nachgebautem "Globe-Theater" im August noch einige Vorstellungen von Shakespeares Der Widerspenstigen Zähmung.


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