"SchillerZeit in Mannheim" ist der Titel einer Ausstellung in den Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen, die noch bis 29. Januar 2006 zu sehen ist. Der Begleitband (Hrsg. Alfried Wieczorek und Liselotte Homering, Verlag Philipp von Zabern, ISBN 3-8053-3554-7) kostet 24,90 Euro.
Bild: Friedrich Schiller verläßt nach einer Aufführung im Mai 1782 in Begleitung von Henriette von Wolzogen und Luise Vischer das Mannheimer Theater und wird Gegenstand einer Ovation des Publikums - so nannte Friedrich August Pecht (1814-1903) sein 1865 fertiggestelltes Ölgemälde. Dieses Bild ziert den Umschlag des Ausstellungskatalogs. Maria Schmitz berichtet.
Zum 200. Todestag Schillers finden in diesem Jahr an vielen Orten Schillerfeiern, Theateraufführungen und Ausstellungen statt. Neu erschienene Biographien und ein Fernsehfilm über den jugendlichen Schiller rücken die Person des Dichters ins Zentrum des Interesses. Gerade Mannheim spielte für Schillers Leben und Werk eine entscheidende Rolle: Am 13. Januar 1782 fand hier die Uraufführung seines ersten Dramas Die Räuber statt. Der überwältigende Erfolg ermutigte den gerade Dreiundzwanzigjährigen zu einer spektakulären Flucht, gemeinsam mit seinem Freund Andreas Streicher von Stuttgart nach Mannheim, wo er hoffte, als Theaterdichter sein Auskommen zu finden.
Die kleine informative Ausstellung der Reiss-Engelhorn-Museen unter dem Titel SchillerZeit in Mannheim und der gleichnamige Begleitband versuchen von verschiedenen Seiten Schillers Jahre in Mannheim zu beleuchten, machte er doch hier die ersten Erfahrungen mit Verlegern, Theaterleuten und Publikum, entscheidende Jahre für seinen weiteren Weg als Berufsschriftsteller.
Der Verleger Christian Friedrich Schwan, ein Gründungsmitglied der Kurpfälzischen Deutschen Gesellschaft, wurde wegen seines unermüdlichen Einsatzes für die Ideale der bürgerlichen Aufklärung sogar mit dem Ehrennamen eines "Pfälzischen Nicolai" belegt. Er war es, der das Genie des jungen Schiller erkannte und den Intendanten des Mannheimer Nationaltheaters, Wolfgang Heribert von Dalberg, mit den Räubern bekannt machte und ihn von der Bühnenwirksamkeit des Stoffes überzeugte.
Als von Dalberg sich entschloß, dieses Stück eines jungen, noch vollkommen unbekannten Autors im Januar 1782 uraufzuführen, ging er ein großes Risiko ein. Das Publikum liebte damals rührselige Familiendramen oder Ritterspiele (entsprechend unseren heutigen Seifenopern oder Actionfilmen). Diesmal sahen sie Personen, die weder ritterlich noch rührend waren, sondern rebellisch mit aufrührerischen Parolen. Das Stück schlug wie ein Blitz ein.
Welche Bedeutung der sensationelle Erfolg der Räuber für seine Laufbahn hatte, beurteilte Schiller in einem Brief an Dalberg vom 17. Januar 1782: "Beobachtet habe ich sehr vieles, sehr vieles gelernt, und ich glaube, wenn Teutschland einst einen Dramatischen Dichter in mir findet, so muß ich die Epoche von der vorigen Woche zählen."
Dalbergs Haltung gegenüber dem jungen Erfolgsautor war jedoch zwiespältig. Nachdem Herzog Karl Eugen von Württemberg ihn mit einem Schreibverbot belegt hatte, floh Schiller am 22. September 1782 aus seiner Heimat, in der Hoffnung, sich in Mannheim als Theaterdichter niederzulassen. Doch Dalberg fühlte sich seinem Fürsten Kurfürst Carl Theodor verpflichtet, von dessen Gunst und finanzieller Unterstützung das Theater abhängig war, und wollte sich von dem jungen Räuberdichter in sein Abenteuer nicht hineinziehen lassen. Einerseits mochte er es sich mit dem fürs Theater so brauchbaren jungen Mann nicht verderben, andererseits bereitete ihm der "desertierte Regimentsarzt" erhebliches Unbehagen.
Dalberg wollte sich nicht entschließen, den Fiesko in der vorliegenden Form anzunehmen und verlangte immer wieder Umänderungen - ohne Rücksicht auf die äußerst prekäre finanzielle Lage des jungen Dichters, der inzwischen mit seinem Freund Andreas Streicher im benachbarten Oggersheim untergekommen war. Als Dalberg auch die umgearbeitete Fassung ablehnte, verkaufte Schiller das Manuskript an den Buchhändler Schwan, um seine Schulden zu tilgen, und nahm das Angebot seiner Gönnerin Henriette von Wolzogen, der Mutter eines Schulfreundes, an, die ihm Zuflucht auf ihrem Gut in Bauerbach in Thüringen bot. Hier arbeitete er an Luise Millerin und Don Karlos.
Im März 1783 nahm Dalberg wieder Kontakt zu Schiller auf. Nachdem man immer gewisser sein durfte, daß vom Herzog von Württemberg keine Repressalien und Unannehmlichkeiten zu befürchten waren, erinnerte er sich gerne des Verfassers zugkräftiger, publikumswirksamer Stücke und schlug Schiller die Rückkehr nach Mannheim als Theaterdichter vor. Endlich erhielt Schiller einen Jahresvertrag als Theaterdichter, von September 1783 bis August 1784.
Der Fiesko hatte am 11. Januar 1784 Premiere. Doch fand er eine sehr verhaltene Aufnahme beim Publikum. Vielleicht lag das unter anderem auch an Dalbergs Änderungswünschen. Er wollte seinem Publikum wohl kein "republikanisches Trauerspiel" zumuten und hatte bei Schiller ein untragisches Ende für die Mannheimer Bühnenfassung durchgesetzt, in der Fiesko am Leben blieb. Doch konnte ein solches "Happy End" die Zuschauer wirklich für die Idee der republikanischen Freiheit begeistern?
Die Premiere von Kabale und Liebe am 15. April 1784 war dagegen ein großer Erfolg. Dennoch entsprachen die Rührstücke Ifflands mehr dem Publikumsgeschmack und wurden häufiger aufgeführt. Schillers Stücke bildeten Ausnahmen vom allgemeinen Zeitgeschmack, sie waren zu aufrührerisch. So wurde in der Uraufführung von Kabale und Liebe in Frankfurt am 13. April 1784 die politisch brisante Rolle des Kammerdieners gestrichen. Dalberg glaubte zwar an die erzieherische und moralisch erhebende Kraft der Bühne und verstand sich in der Tradition Lessings. Doch war er auch von Autoren wie Friedrich Wilhelm Gotter beeinflußt, der überzeugt war, das leidenschaftliche Pathos von Dramen wie Die Räuber werde das künstlerische Niveau zunichte machen: "Das Stück behält ... in der Gattung des Schrecklichen den Preis. Aber der Himmel bewahre uns vor mehr Stücken dieser Gattung."
Um seine Bereitschaft zur Anpassung zu bekunden, preist Schiller Dalberg sein nächstes Werk Don Karlos als "ein Familiengemälde in einem fürstlichen Hause" an. Doch wie wir heute wissen, wandelte sich dieses "Familiengemälde" allmählich zu einem politischen Stück, wobei sich die gesamte Handlung veränderte.
Als ehemaliger Regimentsarzt behandelte er sich selbst; nach den damaligen medizinischen Erkenntnissen hielt man strenge Diät, was den Körper noch mehr schwächte. Gleichzeitig bekämpfte er seine Fieberanfälle mit Chinarinde, der einzig wirksamen Arznei, die zu seiner Zeit gegen Malaria existierte. Mit der Roßkur überlebte er zwar die Malariaepidemie, doch in Verbindung mit dem Kampf um die nackte Existenz erschütterte es seine Gesundheit. Unter dem Druck, innerhalb eines Jahres drei Bühnenstücke liefern zu müssen, arbeitete er zwischen den Fieberanfällen die Nächte durch bis zur völligen Erschöpfung.
Dalberg verlängerte jedoch nach Ablauf des Jahres Schillers Vertrag als Theaterdichter nicht. Wieder stand der Dichter vor dem Nichts. Er versuchte noch als Verleger der Rheinischen Thalia, sich eine Existenz als unabhängiger Schriftsteller aufzubauen. Gerade als sein finanzielles Desaster ihm über den Kopf zu wachsen drohte, boten ihm unbekannte Verehrer in Leipzig-Gohlis ihre Hilfe an, und er verließ im April 1785 Mannheim Richtung Leipzig, wo ein neues Kapitel seines Lebens im Freundeskreis um Christian Gottfried Körner begann.
Doch was wäre aus ihm geworden, wenn er nicht den Sprung in die Freiheit von Stuttgart nach Mannheim gewagt hätte und in dieser Situation nicht einen Reisegefährten gehabt hätte wie Andreas Streicher, der ganz selbstverständlich seine eigenen Lebenspläne über den Haufen warf, um dem bewunderten Freund beizustehen?
Wer war dieser uneigennützige Freund? Streicher war zwei Jahre jünger als Schiller. Nach dem frühen Tod seines Vaters, eines Maurermeisters, lebte die Familie in sehr beschränkten Verhältnissen. An höhere Schulbildung war unter diesen Umständen kaum zu denken. Im Stuttgarter Waisenhaus erhielt er nur eine äußerst dürftige Grundbildung, doch mit zähem Fleiß und intensivem Selbststudium widmete er sich der Musik. Sein großes Ziel war ein Studienaufenthalt bei Carl Philipp Emanuel Bach in Hamburg. Schiller hatte er 1781 als den bejubelten Dichter der Räuber kennengelernt.
Als Schillers Lage in Stuttgart durch das Schreibverbot des Herzogs unhaltbar geworden war, entschloß sich Streicher, seine für das Frühjahr 1783 vorgesehene Hamburgreise um ein halbes Jahr vorzuverlegen, um den verehrten Freund bis Mannheim zu begleiten und von dort seine Studienreise fortzusetzen.
Am 22. September verließen sie unter falschem Namen Stuttgart Richtung Mannheim. Als jedoch Dalberg, wahrscheinlich aus Angst vor der möglichen Rache des erzürnten Herzogs von Württemberg, jegliche finanzielle Hilfe für den Deserteur ablehnte, reiste Streicher nicht wie geplant weiter, sondern finanzierte mit seinem Reisegeld den Aufenthalt der beiden in Oggersheim, wo er mehrere Wochen lang mit dem Freund ein karges Zimmer teilte.
Als die finanziellen Sorgen immer drückender wurden, trennten sich am 30. November 1782 ihre Wege. Schiller folgte Frau von Wolzogens Einladung nach Bauerbach, um dort in Ruhe schreiben zu können. Streicher blieb in Mannheim zurück. Er hatte alle Ersparnisse, die für seine Studienreise vorgesehen waren, aufgebraucht, hatte immer noch keine richtige Ausbildung und keine Aussicht auf qualifizierten Unterricht. Nur wenige Jahre zuvor war Mannheim noch das Paradies der Musiker gewesen, durch den Wegzug des Hofes und seines berühmten Orchesters nach München war es in musikalischer Hinsicht nun verwaist.
Doch Streicher wußte das Beste aus seiner Lage zu machen und verdiente seinen Lebensunterhalt durch das Erteilen von Klavierunterricht, während er beharrlich seine Studien fortsetzte. Im Sommer 1783 kehrte Schiller nach Mannheim zurück; als sein Vertrag als Theaterdichter nicht verlängert wurde und er im April 1785 Mannheim endgültig verließ, hielt auch Streicher nichts mehr, er verließ die Stadt Richtung München, wo er zu einem angesehenen Lehrer und Komponisten wurde. Später wurde er in Wien einer der gefragtesten Klavierbauer und hilfreicher Freund Beethovens.
Wenn auch Streicher kein gleichwertiger Gesprächspartner für Schiller war, kein Geistesfreund wie später Körner oder Humboldt, so war er doch ein treuer Weggefährte und Retter in größter Not, der ganz selbstverständlich die eigene Existenz aufs Spiel setzte und sich dem Freund mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln zur Verfügung stellte. Damit hat er die Idee verwirklicht, was es heißt "eines Freundes Freund zu sein". Noch im Alter erinnert er sich dankbar an diese wichtige Lebensphase: "Wie hoch muß ich dem Schicksal Dank wissen, daß unter den Jugendfreunden, die er hatte, ich der einzige war, der den Mut hatte, den Sprung der Freiheit mit ihm zu wagen."
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