Oktober 2001:
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Europas Mitte um 1000

Die heiligen drei Könige / Reissmuseum Im Mannheimer Reiss-Museum ist die Ausstellung "Europas Mitte um 1000" zu sehen.

Vor den Augen der bayerischen Bistümer konnten die Missionare Kyrill und Method das Mährische Reich bekehren, weil sie die Liturgie in slawischer Sprache und der eigens dafür adaptierten griechisch-kyrillischen Schrift übten.

Im Bild die heiligen drei Könige, Motivbild der Ausstellungsreihe.

Das Mannheimer Reiss-Museum ist die dritte Station der Ausstellung Europas Mitte um 1000. Noch bis 27. Januar 2002 kann man dort die Geschichte der Entwicklung Mitteleuropas um 1000 studieren. Äußerer Anlaß für die Ausstellung sind die Gesuche Ungarns, Polens, der Slowakei und Tschechiens um Aufnahme in die EU. Die höchsten politischen und geistlichen Würdenträger der beteiligten Nationen sind die Schirmherren des Projektes. Die erste Station der Ausstellung im Milleniumsjahr war Budapest, dann folgte Berlin, jetzt Mannheim, danach geht es weiter nach Prag, Bratislava, und die letzte Station wird im Winter 2002/03 das Nationalmuseum in Warschau sein. Der Katalog und die Begleitbände wurden mit großem Arbeitsaufwand in die Landessprachen übersetzt. Jedes Museum wird nach seinen Gegebenheiten eine etwas andere Form der Präsentation finden, ohne das Gesamtkonzept zu verändern.

Die Bürger Polens, Ungarns, Tschechiens und der Slowakei verstanden sich auch zur Zeit des Kommunismus als Teil der westlichen abendländischen Kultur. Als 1989 die Mauer fiel, wurde vielen in den westlichen Nachbarstaaten schmerzlich bewußt, wie wenig man die gemeinsame Geschichte kannte. Die Ausstellung hilft, diese Lücke zu schließen.

Es ist das erste Mal, daß Fachleute aus wissenschaftlichen Institutionen und Museen Polens, der Slowakei, Tschechiens, Ungarns und Deutschlands versuchen, zu einer weitgehend gemeinsamen Sichtweise der geschichtlichen und kulturgeschichtlichen Vorgänge zu kommen. Dazu hat man archäologische Funde und schriftliche Quellen über die historischen und kunsthistorischen Entwicklungen zusammengetragen. Es wurde auch ein spezieller Leitpfad durch die Ausstellung für Kinder und Jugendliche entwickelt.

Die Ausstellung ist folgendermaßen gegliedert:

  • Moderne Nationen und ihre Vergangenheitsbilder
  • Antikes Erbe und christliche Tradition
  • Slawen und Ungarn zwischen Abendland und Byzanz (Lebensweise,
  • Fernbeziehungen, Herrschaft)
  • Die Formierung der Mitte Europas (Mähren, Böhmen, Ungarn, Polen)
  • Ottonische Politik in der Mitte Europas
  • Nationen in Europas Mitte: Neues Erbe

    Die historische Situation

    Vor tausend Jahren standen die Westslawen und die Ungarn zwischen den Einflußsphären des byzantinischen Kaiserreiches im Osten und des ostfränkischen, später römisch-deutschen Reiches der Ottonen im Westen. Karl der Große hatte die Grundlagen dafür gelegt, daß die antike Tradition zu neuem Leben erweckt werden konnte und durch Domschulen und Klöster Eingang in die Bildung fand. Er schuf eine einheitliche Schrift und Sprache sowie korrekte Texte und Liturgien. Auf diesem Erbe bauten die Ottonen ihre Politik zur Ausweitung des christlichen Europas römischer Prägung auf.

    Karl pflegte auch Beziehungen zum Kaiser in Konstantinopel, wenn auch nicht ohne Probleme. Byzanz seinerseits erlebte im 9. Jahrhundert eine außerordentliche kulturelle Blüte, die nach West- und Osteuropa ausstrahlte. Es entstanden Hochschulen, an denen Geometrie, Astronomie, Grammatik, Arithmetik, Mathematik und andere Wissenschaften unterrichtet wurde. Von Byzanz aus erfolgte die Christianisierung der Süd- und Ostslawen. Seit 860 pflegte man Kontakte mit dem Kiewer Rus. Die "Taufe Rußlands" erfolgte aber erst 988 mit der Annahme des Christentums durch Fürst Wladimir. Die Missionare Kyrill und Methodius wurden auch ins Großmährische Reich entsandt, wo sie in slawischer Sprache predigten und gleichzeitig die slawische Schrift entwickelten.

    Johannes Fried drückt den Prozeß der kulturhistorischen Entwicklung, der sich daraus ergab, in seinem Beitrag über "Antikes Erbe und christliche Tradition - die erste Jahrtausendwende in der Geschichte" mit folgenden Worten aus:

    "Diese Mittelmeerkultur, dieser Fundus an Bildung und Religion erhielt nach einer langen Zeit der stückweisen Eroberung neuer Gebiete um das Jahr 1000, durch das Zusammenspiel von Westrom und Byzanz, von Sachsen und ,Rhomäern' mit den neuen christlichen Völkern östlich von Sachsen und westlich von Byzanz, eine neue spezifisch europäische Ausprägung. In dieser Ausprägung wurde die mediterrane Kultur zur Grundlage der Einheit Europas, einer Einheit, die souveräne neue Reiche aus ihrer Mitte entlassen konnte, ohne daß diese Reiche ihre Mitte aufgeben mußten."

    In diesem Spannungsverhältnis befanden sich nun die Westslawen und die Ungarn.

    Bei der Herausbildung Europas in seiner heutigen Struktur ist entscheidend, daß sich die herrschenden Dynastien - in Polen die Piasten, in Böhmen die Premysliden und in Ungarn die Arparden - zur Annahme des christlichen Glaubens lateinischer Prägung entschieden. Man kennt sie heute als Heilige und Landespatrone: Bischof Adalbert, Herzog Wenzel und König Stefan. In Gran (heute Esztergom) in Ungarn und in Gnesen in Polen entstanden Erzbistümer.

    Zwei Höhepunkte, die zur Stabilisierung dieser europäischen Entwicklung beitrugen, waren die Pilgerreise Kaiser Ottos III. zum Grab des 997 ermordeten und 999 heilig gesprochenen Adalbert, bei der er den Piastenfürst Boleslaw Chroby besuchte und das Erzbistum Gnesen begründete, und die Übersendung der Königskrone durch Papst Silvester II. an den Arpardenfürsten Stefan. Dies war der Beginn des ungarischen Staats- und Kirchenwesens. Otto III. verstand die neuen christlichen Herrscher in der Mitte Europas als Verbündete der "Renovatio Imperii Romanorum".

    Höhepunkt und Abschluß der Ausstellung bilden die Präsentation des Kettenhemdes und Helms des Heiligen Wenzel, das Schwert des Heiligen Stefan und eine Kopie der Heiligen Krone Ungarns sowie zwei Säulen aus der Empore der Aachener Pfalzkapelle. Die Ausstellung ist sicherlich ein Beitrag zum besseren europäischen Völkerverständnis.


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