| März 2001: |
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"Die unsichtbare Hand des freien Marktes" hat zugepackt und es sieht so aus, als werden die Grünen die Politik, auf die sie hingearbeitet haben, demnächst umsetzen: Sichere Kraftwerke rechts des Rheins stillegen, weil zu teuer und weniger sichere links des Rheins aufbauen.
Wie bereits berichtet wurde, gab die EU-Kommission am 7. Februar 2001 grünes Licht für die Beteiligung der Electricité de France (EdF) bei dem baden-württembergischen Energieunternehmen EnBW. Die EdF übernimmt die landeseigenen 25,01% der EnBW für 4,7 Mrd. DM, nachdem beide Unternehmen die EU-Auflagen von Wettbewerbskommissar Mario Monti (Teilverkäufe in Frankreich und der Schweiz) akzeptiert hatten.
Damit ist das nun fusionierte Unternehmen zwar noch nicht völlig privatisiert, denn bei beiden Stromanbietern gibt es nach wie vor öffentliche Anteilseigner, die die Interessen der Bürger vertreten können. Doch zum einen hat das Land Baden-Württemberg ab jetzt keine direkten Eingriffsmöglichkeiten in die Energiepolitik des Unternehmens mehr (es gibt nur noch regionale Anteilseigner), und zum anderen haben französische Stromkunden voraussichtlich andere Interessen als ihre rechtsrheinischen "Strompartner".
Zudem ist dieser Zusammenschluß ein großer Schritt in Richtung Gesamtderegulierung des europäischen Strommarktes, da man sich, wenn man der Logik des "freien Marktes" folgt, in Zukunft auch in diesem Unternehmensverbund kaum mehr Rücksicht auf das Allgemeinwohl wird leisten können, um im Wettbewerb mit den übrigen europäischen Energieversorgern mitzuhalten.
Dies scheint die Landesparteien aber kaum zu kümmern, denn sowohl die CDU mit Erwin Teufel an ihrer Spitze, der sich im Vorfeld der Landtagswahl entsprechend medienwirksam über den Abschluß freute, als auch die Grünen machen sich lediglich Gedanken um die Verwendung des Verkaufserlöses. Der wird in eine landeseigene gemeinnützige Stiftung umgewandelt, damit nicht gleich ein Gutteil der Gesamtsumme (ca. 1,8 Mrd. DM) als Steuern an den Fiskus abgeführt werden muß.
FDP-Chef Walter Döring geht sogar noch einen Schritt weiter: Er forderte im Zusammenhang mit dem EnBW-Verkauf gleich auch eine schnelle Privatisierung des Landesanteils an der Gasversorgung Süddeutschland (GVS), an der das Land ebenfalls mit 25% beteiligt ist.
Einzig SPD-Fraktionschef Ulrich Maurer befürchtet nicht nur Arbeitsplatzverluste, wenn "die EnBW und die Neckarwerke Stuttgart nach einer Übergangszeit zu bloßen Vertriebszentralen der EdF... degradiert werden", sondern macht sich auch Sorgen um die langfristige Versorgungssicherheit des Landes.
Diese Sorgen sind angesichts der Entwicklungen in den USA - zunehmend kommen neben Kalifornien auch andere Bundesstaaten in Schwierigkeiten - alles andere als unbegründet, denn es hat gerade einmal vier bis fünf Jahre gedauert, nachdem 1996 das kalifornische Landesparlament die Liberalisierung des Stromsektors ratifiziert hatte, bis die Versorgungssicherheit nicht mehr gewährleistet ist.
Um auf diese Zusammenhänge aufmerksam zu machen und im Landtagswahlkampf dieses Thema stärker zur Sprache zu bringen, stellten sich zwei BüSo-Mitglieder mit Plakaten und Infomaterial vor die EnBW-Zentrale in Karlsruhe. Die Reaktion der EnBW-Mitarbeiter war überwiegend positiv: Fast alle nahmen Notiz von dieser Aktion und pflichteten teilweise bei, daß aufgrund der Privatisierungstendenzen in Zukunft voraussichtlich weniger in die Energieinfrastruktur investiert werde, was auch Entlassungen nach sich ziehen könne.
Lediglich einige wenige "Herren aus den oberen Etagen" meinten, ein Vergleich mit Kalifornien komme schon deshalb nicht in Frage, weil in Deutschland derzeit kein Mangel, sondern ein starkes Überangebot an Stromerzeugungskapazität herrsche und daher die Versorgung mit günstiger Energie nicht als gefährdet anzusehen sei.
Die BüSo wird dieses Thema im Auge behalten und die anderen Parteien und sonstigen politischen Institutionen auch weiterhin mit der Frage konfrontieren, warum eine Errungenschaft des Allgemeinwohls, die über viele Jahrzehnte diesen hohen Grad an Sicherheit und Qualität der Versorgung zu günstigen und stabilen Preisen gewährleistet hat, ohne Not der Obhut des Bürgers entzogen wird und langsam aber sicher in ein Fahrwasser zu geraten droht, in dem der schnelle Profit mehr zählt als langfristige Überlegungen.
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