
Die Pläne für diesen Krieg lagen schon seit einiger Zeit in den Schubladen. Sie gehen bis auf die Zeit zurück, als der damalige Ministerpräsident Benjamin Netanjahu von den Neokonservativen aus dem Umfeld Dick Cheneys die Doktrin des "Klaren Bruchs" (mit dem Osloer Abkommen) übernahm. Nach einem Bericht von Al Watan al Arabi war der Krieg für September oder Oktober vorgesehen, was wohl mit den Kongreßwahlen in den USA im November zusammenhängt. Berichte über eine neuerliche "Oktober-Überraschung" stimmen mit diesem Zeitrahmen überein. Bei dem Treffen von Cheney und Netanjahu Mitte Juni dieses Jahres in Colorado sei dann "grünes Licht" gegeben worden, so die arabische Zeitung.
Diese israelische Bodenoffensive ist bereits jetzt als gescheitert zu betrachen. Das zeigen die Ereignisse um die Stadt Bint Jbail. Diese Stadt mit ihren etwa 30 000 Einwohnern wurde nach Angaben der israelischen Streitkräfte bereits zu Anfang der Kampfhandlungen "eingenommen". Die Hisbollah sagt, sie habe die israelische Armee in der Stadt in eine Falle gelockt und bei den anschließenden schweren Kämpfen habe es zahlreiche Tote und Verwundete auf israelischer Seite gegeben. Die Israelis mußten sich zurückziehen und versuchten später erneut die Einnahme der Stadt. In der vierten Kriegswoche erklärte Israel dann, es habe die Stadt engültig eingenommen, wobei arabische Quellen erklären, von den 17 dort eingesetzten israelischen Panzern seien 14 abgeschossen worden. Die Ereignisse in Bint Jbail scheinen sich auch in anderen Teilen des Südlibanon zu wiederholen. Auch die Zahl der Raketen, die vom Südlibanon aus nach Israel abgefeuert wurden, hat nicht wesentlich nachgelassen. Darüber hinaus wurden erstmals israelische Städte und Ortschaften wie Haifa getroffen, die angeblich außerhalb der Reichweite der Hisbollah lagen.
Nach einer hitzigen Kabinettssitzung kündigte Ministerpräsident Ehud Olmert dann am 8. August an, man werde eine massive Bodenoffensive mit 30 000 Soldaten beginnen, um den Südlibanon bis zum Litani zu erobern. Streitigkeiten über die richtige Vorgehensweise im Kampf gegen die Hisbollah-Miliz führten unterdessen dazu, daß statt des bisherigen Kommandeurs der Nordfront, Gen. Adam, Vize-Generalstabchef Gen. Mosche Kaplinski die Operationsführung übernahm. Dann hieß es einen Tag später, man werde die Ausweitung der Offensive einige Tage aussetzen, um der Diplomatie eine Chance zu geben. Natürlich gingen die Angriffe aus der Luft und am Boden trotzdem weiter.
Gerade dieser psychologische Aspekt ist von immenser Bedeutung, wie viele Beobachter erklären. Während jeder Tote oder Verwundete aus israelischer Sicht eine schwere politisch-psychologische Hypothek darstellt, ist ein gefallener Hisbollah-Kämpfer, wie Hisbollah-Chef Scheich Hassan Nasrallah immer wieder betont, ein Märtyrer. Ein arabischer Politiker, mit dem ich gesprochen habe, berichtet von einem Gespräch, das er mit einem Verwandten führte, der gerade seinen Sohn verloren hatte. Der Politiker drückte seine tiefempfundene Trauer darüber aus, doch der Vater munterte ihn auf und erklärte, sein Sohn sei bereit gewesen, im Kampf zu fallen, und er sei sicher, daß er im Jenseits dafür belohnt werde.
In militärischer Hinsicht ist die Hisbollah immer noch intakt und kann auf Tausende ausgebildete "Reservisten" zurückgreifen. Zudem kann sie auf einer minimalen logistischen Basis operieren. Ein arabischer Diplomat formulierte es gegenüber EIR so: "Sie brauchen Wasser und Datteln als Speise. Sie verfügen über Wasser und Datteln. Sie können lange durchhalten." Nach Einschätzung arabischer Experten kann die Hisbollah das derzeitige Niveau an Widerstand noch drei bis sechs Monate halten. Sie verfügt nicht nur im Süden, sondern im ganzen Land über Raketendepots. Wenn Israel nicht einlenkt und ernsthafte Friedensangebote vorlegt, kann der Krieg noch lange weitergehen.
Die diplomatischen Tricksereien zugunsten Israels wurden durch ein "Njet" der Russen und das intelligente, koordinierte Vorgehen der libanesischen Regierung und der Arabischen Liga vereitelt. Die Regierung Siniora kündigte an, sie werde 15 000 Soldaten der regulären Armee des Libanon in den Süden entsenden. Dieser Vorschlag überraschte Tel Aviv wie Washington und zwang sie, Farbe zu bekennen, da sie ja verlangt hatten, daß "der Libanon seine Souveränität über sein gesamtes Territorium ausübt". Die libanesische Regierung betonte, das Kabinett, dem auch zwei Minister der Hisbollah angehören, habe dem Vorschlag einstimmig zugestimmt, und er habe auch die volle Zustimmung der militärischen Führung der Hisbollah. Die Libanesen, mit Unterstützung der Araber, Rußlands, des Iran und anderer wichtiger Akteure, bestehen aber darauf, daß Israel libanesisches Territorium räumt, bevor libanesische oder andere Truppen dort eingesetzt werden.
Auf ihrer Tagung am 8. August in Beirut beschlossen die Außenminister der Arabischen Liga eine Delegation zur UNO zu schicken, der die Außenminister der Vereinigten Arabischen Emirate und Qatars - eines Mitglieds des UN-Sicherheitsrates - sowie der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, angehören. Die Arabische Liga unterstützte nicht nur den libanesischen Sieben-Punkte-Plan zur Beendigung des Krieges (siehe nebenstehende Box) einschließlich der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand, sondern auch den Vorschlag, die libanesische Armee in den Süden des Landes zu entsenden.
Derzeit scheint ein Kompromiß erreicht worden zu sein, wonach ein schrittweiser Rückzug der israelischen Streitkräfte mit einer schrittweisen Entsendung dieser Truppen einhergeht. Dabei ist festzuhalten, was auch jeder Kenner der Lage betont: Es ist unmöglich, die Hisbollah zwangsweise zu "entwaffnen". Ein Diplomat verglich dies gegenüber EIR mit dem Versuch, "das jemenitische Volk zu entwaffnen, wo jeder bewaffnet ist". Die Hisbollah wurde als Reaktion auf die israelische Invasion und Besetzung des Südlibanon 1982 gegründet, bewaffnet und ausgebildet. Es war die Hisbollah, die durch einen 18jährigen bewaffneten Widerstand den Rückzug der Israelis erzwang. Deshalb ist die einzige Möglichkeit, die Hisbollah zu entwaffnen, die, Frieden zu schließen. Wenn die Israelis abgezogen sind, ist es die alleinige Verantwortung der politischen Kräfte des Libanon, über eine angemessene Rolle der Hisbollah im Rahmen der nationalen Streitkräfte zu entscheiden.
Die eigentliche Lehre, die aus diesem schrecklichen Krieg zu ziehen ist, besagt, daß Frieden mehr als die Abwesenheit des Krieges ist. Wenn es keinen Krieg in dieser zerstörten Region Südwestasiens geben soll, dann müssen Israel und seine internationalen Kontrolleure eine wirkliche Friedensordnung in Nahost akzeptieren. Israel muß seine Haltung radikal ändern und das überwinden, was Lyndon LaRouche als seine "kulturellen Mängel" bezeichnet, und einen Frieden akzeptieren, der den Prinzipien des Westfälischen Friedens entspricht (siehe Helga Zepp-LaRouches Erklärung in dieser Ausgabe) - oder es muß sich mit dem Schicksal eines "gescheiterten Staats" abfinden. Der Sieben-Punkte-Plan, den der libanesische Ministerpräsident Siniora vorgelegt hat, ist ein brauchbarer Ausgangspunkt, um den Krieg im Libanon zu beenden, und er genießt die Unterstützung aller wichtigen Kräfte in der Region, einschließlich des Iran.
Endlich sprechen auch führende Persönlichkeiten Europas, wie der frühere Außenminister Genscher und der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt Helmut Schäfer über die Notwendigkeit einer regionalen Gesamtlösung. Auch unter den Arabern wählt man den regionalen Ansatz. Das ist neu, und darin zeigt sich die Wirkung der Debatte über LaRouches Südwestasien-Doktrin in der Region. Angesichts der Tatsache, daß die Kriege in Afghanistan und im Irak eskalieren, und neue Konflikte in Palästina und im Libanon provoziert wurden, ist klar, daß ein Frieden erreicht werden muß, der die gesamte Region des Nahen und Mittleren Osten einbezieht.
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