Im Tritiumlabor des Forschungszentrums Karlsruhe werden Technologien und Komponenten für den Brennstoffkreislauf eines Fusionsreaktors entwickelt und erprobt. Das Bildmaterial wurde uns vom Forschungszentrum Karlsruhe zur Verfügung gestellt.
Der dritte Artikel von Helmut Böttiger über die europäische Fusionsforschung befasst sich mit den Konsequenzen, welche die jahrelange Verzögerungs- und Sabotagepolitik beim Aufbau und bei der Finanzierung der Fusionsforschung für Deutschland hat.
Der Internationale Fusionsreaktor ITER (International Thermonuclear Experimental Reactor) ist inzwischen beschlossene Sache. Im Sommer 2005 hatten sich die künftigen Betreiber - die Europäische Union, Rußland, China, Japan, Indien, Südkorea und schließlich nach langem Weigern auch die Vereinigten Staaten - für Frankreich als Standort entschieden. Am 21. November wurde im Rahmen einer Feierstunde beim französischen Präsidenten Jacques Chirac in Paris ein entsprechender Finanzierungsvertrag über 5,3 Mrd. Euro von den Vertretern dieser Nationen unterschrieben. In Cadarache, einer kleinen Ortschaft in Südfrankreich, baut das Kernforschungszentrum CEA in einem etwa 1600 ha großen Gelände bereits an der Infrastruktur dieses großen internationalen Forschungsprojekts.
Das Projekt geht auf eine Initiative des US-Präsidenten Reagan und des sowjetischen Generalsekretärs Gorbatschow aus dem Jahr 1985 zurück, die beschlossen, in der Kernfusionsforschung zusammenzuarbeiten. Danach machten die USA einen Rückzieher. Doch nach 20 Jahren, als die anderen beteiligten Staaten sich entschlossen zeigten, das Projekt auch ohne die USA fortzusetzen, stiegen sie wieder ein.
ITER ist als sogenannter Tokamak nur eine der vielversprechenden Forschungslinien. Es handelt sich um einen gewaltigen Magnetring, in dem die Atome von Wasserstoff, Deuterium und Tritium miteinander verschmolzen werden. Dabei wird Energie in Form von schnellen Neutronen und Strahlung frei, die über die Reaktorwand als Wärme abgeführt wird. Die Rohstoffe sind nahezu unerschöpflich vorhanden, der Fusionsvorgang selbst ist ungefährlich, weil er jederzeit unmittelbar abgeschaltet werden kann. Die in den Isotopen des Wasserstoffs und Heliums sowie im Strukturmaterial des Reaktors anfallende Radioaktivität ist kurzlebig und aufgrund heutiger Erfahrungen leicht beherrschbar. (Die beigefügte Tabelle listet mögliche Fusionsreaktionen mit ihrem jeweiligen Energieertrag auf.)
Der geplante Reaktor sollte eigentlich schon 2018 in Betrieb gehen und etwa 20 Jahre laufen. Inzwischen ist der Betriebsbeginn nach hinten hinausgeschoben worden. Manche erwarten ihn erst im Jahr 2050. Die Dauer der Entwicklungsarbeit ist natürlich auch eine Funktion der aufgewandten Mittel. Ursprünglich schätzte man die Kosten auf 10 Mrd. Euro. Erfahrungsgemäß kommt man damit aber nicht aus.
Abgesehen davon wäre es natürlich sinnvoll, fossile Energieträger für die Herstellung von Werkstoffen zu verwenden, statt sie zu verbrennen. Die Nutzung der Kernfusion böte natürlich die Energie, um alle benötigten Treibmittel synthetisch herstellen zu können. Sie hat außerdem den Vorteil, daß darüber kein Land politisch erpreßt werden kann, da der Rohstoff für die Kernenergie sich schlechterdings nicht monopolisieren läßt.
Bei solchen Aussichten sollte man meinen, daß der Entschluß, nun in die Endphase der friedlichen Nutzung der Kernfusion einzusteigen, von allen Seiten begrüßt wird. Das ist aber, was in Deutschland nicht erstaunen läßt, durchaus hier nicht der Fall.
Im Haushaltsausschuß des Bundestages hat die Aussicht, über nahezu unbegrenzte Mengen von Energie verfügen zu können, eher so etwas wie Entsetzen ausgelöst. Das wird zwar ähnlich wie im Falle der Kernspaltungsenergie am Engagement der anderen Länder nichts ändern, sich dafür aber um so verheerender für die Entwicklung dieses Landes auswirken. Doch das scheint, wenn man die Politik der letzten Jahrzehnte zugrundelegt, durchaus die Absicht der in Bonn regierenden Politiker auch außerhalb des Haushaltsausschusses zu sein.
Im Haushaltsausschuß wurden nun die Projektmittel für die Fusionsforschung gesperrt. Da half auch das Bekenntnis der Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU) von Anfang Oktober zur "wirklich konsequenten Weiterentwicklung der Fusionsforschung" nichts. Sie konnte mit Müh und Not verhindern, daß Sozialdemokraten und Grüne Fördermittel in Höhe von 11 Mio. Euro ganz strichen, doch die Verwendung der Hälfte des Geldes wurde mit einem sog. "Sperrvermerk" gesperrt und die Ministerin aufgefordert, weitere Argumente für die Fusionsforschung vorzulegen. Der Sperrvermerk entbindet die Bundesregierung allerdings nicht von der bereits eingegangen Verpflichtung, zur Finanzierung des ITER-Projekts 466 Mio. Euro beizutragen.
An den verschiedenen Versuchsreaktoren haben Techniker und Ingenieure deutscher Firmen schon Lösungswege entwickelt und Fertigkeiten erworben, die nicht nur beim Bau der komplexen Großanlage in Frankreich benötigt werden. An den Fusionsreaktoren in Deutschland haben deutsche Unternehmen sich auf vielen Gebieten einen technologischen Vorsprung vor ihrer Konkurrenz in anderen Ländern erarbeitet. Je mehr deutsche Firmen am ITER beteiligt sind, desto mehr deutsche Beiträge zu dem Projekt fließen wieder nach Deutschland zurück. Pionierprojekte wie die der Fusionsforschung bilden eine wissenschaftlich-technische Herausforderung und nötigen zu wissenschaftlichen und technischen Fortschritten, die sich auf nahezu alle Bereiche der Produktionstechnik produktivitätssteigernd auswirken.
Die gesperrten Haushaltsmittel hätten dazu dienen sollen, viele Aufträge beim Bau des ITER nach Deutschland zu holen und dadurch die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Produktionsbetrieben zu fördern. Doch das scheinen die Vertreter von SPD und Grünen auf ihrem irrationalen Umwelt-Trip gerade nicht zu wollen.
Das Nein des Haushaltsausschusses folgt der Grundhaltung der früheren rot-grünen Bundesregierung, die 2003 allein der Fusionsforscher zusätzliche Mittel verweigerte und die Helmholtz-Gemeinschaft zwang, Mittel der Fusionsforschung zur Förderung sog. alternativer Energien zu verschwenden. Die große Koalition setzt auf Druck der SPD diese Politik fort. Mit dem Sperrvermerk gibt die Regierung ein Signal an die Planungsgruppe des ITER, die gerade darüber entscheidet, welche Forschergruppen Führungsfunktionen erhalten und welche Firmen Aufträge bekommen sollen.
Es liegt nicht an fehlender Kompetenz der Forschung und Technik in Deutschland, wenn deutsche Forscher und Firmen nicht bedacht werden, sondern an der antideutschen Haltung gewisser schwarz-rot-grüner Kreise in der Bundesregierung. Dabei hatte die Kanzlerin sich vor der rot-grünen Regierungsübernahme als Umweltministerin darum bemüht, das ITER-Projekt nach Deutschland an den Standort Greifswald zu holen.
Die Initiative wird Brasiliens Kommission für Kernenergie (CNEN) unterstellt, ihr werden 70 Forscher zugeordnet, außerdem werden 14 nationale wissenschaftliche Einrichtungen an diesen Forschungen beteiligt, darunter das nationale Raumforschungszentrum und das Institut für Luftfahrttechnik, sowie einige Physikfachbereiche der Universitäten.
Besonderen Wert will die Regierung darauf legen, die Jugend für das Projekt zu begeistern. "Das Forschernetzwerk wird die Jugend anregen und in ihr Interesse an der Kernforschung wecken", so Rezende. Dabei beklagte er, daß dieses Interesse vor allem wegen der geringen finanziellen Förderung der Forschung nur gering entwickelt sei.
Brasilien betreibt bereits drei kleine Tokamak-Forschungsreaktoren eigener Entwicklung und erwägt zur Zeit, dem ITER-Projekt beizutreten. Desgleichen sieht der neue Nationale Energieplan Brasiliens den Bau von vier neuen Kernkraftwerken mit je 1000 MWel bis 2030 und die Fertigstellung des begonnen Reaktors Angra III bis 2015 vor. Gott sei dank verbauen sich nicht alle Staaten ihre Zukunft.
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