Juni 2001:
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Gemeinwohl als roter Faden

Wochenendseminar der BüSo-Südwest am 23./24. Juni 2001 im Schwarzwald.

Richtkreismessung in Herrenwies
Wie schon vor Jahresfrist trafen sich auch dieses Jahr wieder Mitglieder und Freunde der Bürgerrechtsbewegung Solidarität aus den südwestlichen Bundesländern zu einem zweitägigen Seminar im Hochschwarzwald, diesmal in der Jugendherberge in Herrenwies bei Forbach.

Die 25 Teilnehmer kamen am frühen Samstagvormittag aus zum Teil beträchtlicher Entfernung am idyllisch gelegenen Tagungsort in einem Hochtal nahe der Forbachtalsperre an, um dem umfangreichen Programm zu folgen, das eine gute Mischung aus konzentrierter Vortragsatmosphäre und aktiver Mitarbeit der Diskussionsteilnehmer bot. Die Vorträge der Referenten waren so konzipiert, daß ein zusammenhängender Bogen vom ersten bis zum letzten Beitrag entstand, der dem gesamten Seminar eine abgerundete Struktur verlieh. Dabei stand das Prinzip des Gemeinwohls im Mittelpunkt, und in vielen Facetten wurden die Kräfte in Vergangenheit und Gegenwart beschrieben, die sich um bzw. gegen dieses Prinzip gruppieren.

Den Auftakt bildete eine strategische Übersicht von Michael Weißbach über die derzeitige Lage in der internationalen Politik sowie deren mögliche Entwicklungen in nächster Zeit. Aus dieser weltpolitischen Übersicht entstand in der anschließenden Diskussion die Frage nach der Aufgabe der deutschen Regierung und Bevölkerung in dieser Situation.

Am Nachmittag begann Renate Leffek vom BüSo-Bundesvorstand ihren Beitrag mit Blick auf die vorangegangene Diskussion mit einem Hinweis auf die internationale Konferenz des Schiller-Institut in Bad Schwalbach von Anfang Mai. Die dortigen Überlegungen und Initiativen seien beispielhaft gerade auch für Deutschland. Anhand dieser Vorschläge für zukünftige Entwicklung kam sie zum Kern ihrer Rede, der Philosophiegeschichte des Gemeinwohls, angewandt als Staatskunst. Sie hob hervor, daß sich das Gemeinwohlprinzip laut Nikolaus v. Kues auf das Naturrecht gründe, worauf sich auch seine geistigen Nachfolger Leibniz, Schiller, List, LaRouche u.a. stets bezogen hätten. Im Gegensatz dazu stehe die Philosophieauffassung des positiven Rechts, dessen sich die Gegner dieser Denker bedienten, um ihre Thesen zu untermauern.

Muriel Mirak-Weißbach griff einen Hauptvertreter des Gemeinwohlgedankens, den Politiker und Staatsphilosophen Thomas Morus, heraus und beleuchtete seine unermüdliche und bis in den Tod konsequente Anstrengung für die Gerechtigkeit, die Papst Johannes Paul II. letztes Jahr dazu veranlaßte, ihn zum Schutzpatron und Vorbild der Politiker zu ernennen. Sie verglich die damalige Politik mit gegenwärtigen Entwicklungen und stellte für die Zuhörer teils erstaunliche Parallelen her, die zum Nachdenken anregten.

Am Abend war ein Kulturprogramm angesetzt, zu dessen Gelingen eine Vielzahl an Beiträgen und Aktionen gerade auch von den Gästen beitrug. Es begann mit einigen ernsten musikalischen und gesprochenen Stücken, deren Autoren von der Renaissancezeit bis zur klassischen Periode im 18./19. Jahrhundert lebten, bevor dann der heitere Teil des "bunten Abends" begann: humorvolle bis witzige Gedichte und Geschichten, Stilblüten im Leben eines politischen Aktivisten und ein Blumenquiz, Pantomime und vieles mehr; das Ganze bei dem ein oder anderen Gläschen Wein und noch langen Unterhaltungen bis in den frühen Morgen hinein.

Gauß und Platon

Am Sonntag - das Wetter machte seinem Namen alle Ehre - stand nun die Naturwissenschaft ganz im Vordergrund; explizit die Geometrie als Grundlage für die Erdvermessung. Caroline Hartmann erläuterte anhand der Geschichte der Erdvermessung die stetige Veränderung in der Auffassung über die Gestalt der Erde, die immer eng mit der jeweils vorherrschenden Staatsphilosophie zusammenhing. Als diese "geodätische Zeitreise" bei den sehr gewissenhaften Überlegungen von Carl Friedrich Gauß ankam, war es an den Zuhörern, selbst in die Natur hinaus zu gehen, um das Gehörte in der Praxis umzusetzten.

Und da zeigte sich dann sehr bald, warum Gauß seine Messungen im Fürstentum Hannover immer selbst durchgeführt hatte: damit er auch wirklich richtige und genaue Werte bekam! Es ist nämlich alles andere als einfach, mit einem Theodolithen genaue Meßwerte zu ermitteln, wenn man auf weichem Moorboden mit etwa zwanzig Hilfsvermessern versucht, Horizontal- und Vertikalwinkel von zwei verschiedenen Positionen aus zu bekommen, um damit den Abstand und die Höhe eines Kirchturmes in einiger Entfernung zu bestimmen; besonders, wenn das Mittagessen bereits auf dem Tisch wartet! Als die gemessenen Winkel dann während des Essens ausgewertet wurden, stellte sich dann auch heraus, daß laut Ergebnis das Kirchlein gerade einmal 3,74 m entfernt sei und einen immerhin 35,5 m hohen Kirchturm habe (ein Glück, daß Gauß nicht persönlich anwesend sein konnte).

Nach dem Mittagsmahl, das trotzdem gut geschmeckt hatte, gab Andrea Andromidas einen abschließenden Diskurs über die unterschiedlichen philosophischen Grundauffassungen von Platon und Aristoteles, die bis in die heutige Zeit die bestimmenden Richtpfeiler in den Wissenschaften bilden, d.h. an deren Begründungen des Nutzens der Wissenserweiterung sich bis heute die Wissenschaftler orientieren. Sie machte keinen Hehl aus ihrer Überzeugung, daß nur die platonisch-sokratische Ausrichtung einen dauerhaften Fortbestand der Wahrheitssuche und damit stetiger Verbesserung der Lebensumstände der Menschheit bilden könne. Die sich anschließende Diskussion zeigte, mit welchem Ernst und welcher Gewissenhaftigkeit die Teilnehmer das Gesamtprogramm verfolgt hatten - so wurden am Ende nochmals Fragen zum Universum, seiner Entstehung und Entwicklung sowie dem Menschen und seiner Aufgabe darin diskutiert, die während des ganzen Seminars den Leitfaden gebildet hatten.

Alles in allem war es nach einhelliger Ansicht ein wirklich gelungenes Wochenende, das viele Anreize zum weiteren Studium des Gehörten gab und die ersten Ideen für das nächste Seminar schon zum Vorschein brachte!


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