Er verwies auf den "fundamentalen Unterschied zwischen einem Christen, der weiß, was der Begriff Unsterblichkeit für das eigene Verhalten und das der Nation bedeutet", und solchen moralinsauren Fundis in Ohio und anderswo, deren Moral darin bestehe, sich im irdischen Jammertal, wo ihrer Meinung nach ohnehin Satan das Sagen hat, der jeweiligen Obrigkeit anzubiedern.
"Dieses Dokument wurde - auf Ersuchen des Heiligen Vaters, dem es auch gewidmet ist - vom Päpstlichen Rat für Gerechtigkeit und Frieden zusammengestellt, der für seinen Inhalt verantwortlich ist. Es steht damit allen zur Verfügung - Katholiken, anderen Christen und Menschen guten Willens - , die nach Zeichen der Wahrheit suchen, um das soziale Wohl der Menschen und der Gesellschaften besser fördern zu können. Dieses Werk wurde vor fünf Jahren unter dem Vorsitz meines verehrten Vorgängers, Kardinal François-Xavier Nguyen Van Thuan, begonnen. Krankheit und Tod des Kardinals Van Thuan und der Wechsel des Vorsitzes im Rat für Gerechtigkeit und Frieden führten unvermeidlich zu einer Verzögerung."
In der Einleitung betont Kardinal Angelo Sodano, der Außenminister des Heiligen Stuhls: "Der Heilige Vater wünscht, daß das vorliegende Dokument der Menschheit bei der fortgesetzten Suche nach dem Gemeinwohl hilft, und erbittet den Segen Gottes für jene, die sich die Zeit nehmen, über die Lehren einer solchen Publikation nachzudenken."
Was bei der Lektüre des Dokuments sofort auffällt, ist der starke Gegensatz zwischen den moralischen Fragen, die der Papst und der Päpstliche Rat aufwerfen, und den "moralischen Fragen" - wie Schwulenehe und Abtreibung - , mit denen George Bush im Präsidentschaftswahlkampf um christliche Stimmen warb.
Ein Hauptabschnitt des Dokuments behandelt die "Förderung des Friedens". Darin heißt es unmißverständlich: "Präemptive Kriegshandlungen, die ohne irgendwelche Beweise für eine bevorstehende Aggression begonnen werden, müssen vom moralischen und juristischen Standpunkt schwerwiegende Fragen aufwerfen."
Wie schon in den beiden wichtigsten Enzykliken zur Soziallehre - Populorum progressio (Über den Fortschritt der Völker) von Papst Paul VI. 1967 und Centesimus annus von Papst Johannes Paul II. 1991 - wird betont: "Wirtschaftliche Entwicklung ist der neue Name für den Frieden."
Die andere moralische Frage, die Lyndon LaRouche und leider erst am Ende des Wahlkampfs auch John Kerry (der Katholik ist) aufwarfen, ist die Moral in der Wirtschaft. Dies umfaßt die dringende Notwendigkeit eines neuen Wirtschafts- und Finanzsystems gegen Finanzspekulation und für die Entwicklung der Realwirtschaft und des Gemeinwohls.
Papst Johannes Paul II. sagte im April 1997 in einer Rede vor der päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften: "Eine Wirtschaft, die nur auf finanziellen Gewinnen beruht, beraubt sich ihrer eigenen Wurzeln und ihres ursprünglichen Zieles, welches der Dienst an der Realwirtschaft und letztendlich die Entwicklung der Völker und der menschlichen Gemeinschaften sein sollte. Das Bild der Wirtschaft wird um so dramatischer, wenn man die Asymmetrie bedenkt, die das Weltfinanzsystem kennzeichnet: Innovative Prozesse und die Deregulierung der Finanzmärkte tendieren tatsächlich dazu, sich nur in einigen Teilen des Globus zu akkumulieren. Dies wirft für die Länder, die von einem solchen Prozeß ausgeschlossen sind, schwerwiegende ethische Fragen auf."
Das Dokument des Vatikans fordert daher, daß "die internationalen Wirtschafts- und Finanzinstitutionen die angemessenen institutionellen Lösungen identifizieren", um das Finanzsystem zu verändern und das Problem der Auslandsschulden der armen Länder zu lösen - eine weitere moralische Frage, die Johannes Paul II. bei zahlreichen Gelegenheiten angesprochen hat.
Diese moralischen Fragen haben George Bush, Karl Rove und ihre Unterstützer in vielen amerikanischen Kirchen totgeschwiegen - so wie viele katholische Priester in Ohio, die bereit waren, Kerry wegen seiner Haltung zur Abtreibung zu "exkommunizieren", aber kein Mitleid mit den Millionen Afrikanern haben, die infolge von IWF-Konditionen oder einem unmoralischen Finanzsystem verhungern oder an AIDS sterben, und auch kein Mitleid mit den 50 Millionen Amerikanern ohne Krankenversicherung oder den Millionen Rentnern in den USA, für die kein Grippeimpfstoff da ist.
Man fragt sich, ob Bush - der behauptet, Gott habe ihn erwählt - oder katholische Priester, die ihre Gemeinden zur Wahl Bushs aufforderten, auch nur eine der Enzykliken gelesen haben, die in dem Buch als Fundament der kirchlichen Soziallehre aufgeführt werden: Rerum novarum von Papst Leo XIII., 40 Jahre später in der Wirtschaftsdepression Quadrogesimo Anno von Papst Pius XI., Populorum progressio sowie Centesimus annus und Sollicitudo rei socialis (Die Förderung der gesellschaftlichen Angelegenheiten) des amtierenden Papstes. Ja man fragt sich, ob sie überhaupt die Heilige Schrift gelesen haben, und wie es Lyndon LaRouche nach der Wahl sagte, "welchen Gott sie eigentlich anbeten".
Ein ehemaliger italienischer Premier der katholischen Partei Italiens sagte uns zehn Tage vor der Wahl: "Die Haltung des Papstes zu diesem (Irak)Krieg ist sehr klar, es ist dieselbe wie die Mutter Teresas aus Kalkutta, daß nämlich Krieg unter allen Umständen falsch ist und daß man ein Unrecht nicht durch ein schlimmeres wieder gutmachen kann. Es überrascht nicht, daß sich Condoleezza Rice weigerte, Präsident Bush zu begleiten, als er vom Papst in Rom empfangen wurde."
Die Aufforderung, zum Schutz des Gemeinwohls, des Friedens und der von der Wirtschaftskrise betroffenen Gesellschaftsschichten einzugreifen, ist einer der wichtigsten Gesichtspunkte der kirchlichen Soziallehre. Vor einigen Jahren lud Johannes Paul II. die Vorsitzenden der drei größten Gewerkschaften Italiens in den Vatikan ein, um sie aufzufordern, "für eine neue, gerechtere Wirtschaftsordnung zu kämpfen".
Seit dem Beginn des Kriegs im Irak wiederholt er jeden Sonntag beim Angelusgebet auf dem Petersplatz seine Aufforderung an die Staatsoberhäupter, der Gewalt ein Ende zu setzen und eine dringend notwendige Initiative für den Frieden im Irak und zwischen Israel und Palästina zu unternehmen.
Auch in der drängenden moralischen Frage eines neuen Finanz- und Wirtschaftssystems läßt der Vatikan nicht locker. Bei einer Konferenz der Gesellschaft zur Förderung des Studiums der Banken und Börsen über die "moralische Orientierung des Kredits und der Finanzen" am 24. November 2003 antwortete der Mailänder Erzbischof Kardinal Dionigi Tettamanzi auf meine Frage, ob Italien helfen könne, ein neues Bretton Woods durchzusetzen: "Italien kann dies nicht nur, sondern muß es tun."
Man kann nur hoffen, daß wahre Christen und "Menschen guten Willens", wie es Kardinal Martino bei seiner Pressekonferenz sagte, diese Zusammenfassung der kirchlichen Soziallehre lesen, daß sie einsehen, warum dieses Finanzsystem und dieser Krieg zutiefst unmoralisch sind, und dementsprechend handeln.
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