April 2001:
Pfad:> Partei BüSo> BüSo Baden-Württemberg> Kultur> Archiv


Grundlagenforschung als Hauptaufgabe

Der Abschluß des Landtagswahlkampfes der BüSo Baden-Württemberg war einmal anders: Ein Besuch im Forschungszentrum Karlsruhe.

Kontrollpult im Forschungszentrum Karlsruhe Als Abschluß des Landtagswahlkampfs in Baden-Württemberg hatten sich am 23. März etwa 20 Mitglieder und Freunde der Bürgerrechtsbewegung Solidarität zu einer Besichtigung des Forschungszentrums Karlsruhe (FZK) eingefunden. Zunächst erfuhren die Teilnehmer in einem ausführlichen Vortrag die wichtigsten Fakten über die Aufgaben und die Geschichte der Forschungsstätte, die in den 50er Jahren nördlich von Karlsruhe in einem Waldstück angelegt worden war. Damals diente die Hauptarbeit der Wissenschaftler der Erforschung und Entwicklung der Nukleartechnologie sowie deren friedlicher Anwendung zum Zwecke der Energiegewinnung. So ist es nicht erstaunlich, daß hier nicht nur der erste Forschungsreaktor und etwas später der erste kommerziell arbeitende Kernreaktor auf deutschem Boden entstanden, sondern daß auch der erste Schnelle Brutreaktor in Deutschland (Kompakter Natriumgekühlter Kernreaktor; KNK) auf dem Gelände des FZK entwickelt wurde.

Heute sind die Wissenschaftler und Kerntechniker aufgrund des Umschwungs in Politik und Gesellschaft - so wird es zumindest in den öffentlichen Medien dargestellt - gerade dabei, diese ganzen Errungenschaften wieder dem Erdboden gleichzumachen bzw. "zurückzubauen". Deshalb wurde die Anlage auch 1995 umbenannt; der Name "Kernforschungszentrum Karlsruhe" (KFZ), dessen Ursprünge auf die Großforschungsanlagen im US-amerikanischen Los Alamos zurückgehen, war nicht mehr länger tragbar und leider auch immer weniger zutreffend.

Trotzdem ist das Forschungszentrum nicht überflüssig geworden, denn neben der Sicherheitsforschung zum AKW- bzw. Reaktorrückbau gibt es eine Vielzahl von anderen Aufgaben, denen sich das FZK widmet: Dazu gehören Forschungen in den Bereichen Laser- und Plasmatechnik, Ionenphysik und Werkstoffumformung am Teilchenbeschleuniger, Wetterkunde und meteorologische Datenverarbeitung, Kernfusionsforschung, Nanotechnologie u.v.a. Das FZK arbeitet auf diesen Gebieten sowohl mit den anderen 15 deutschen Forschungszentren zusammen, die zu 90% vom Bund und zu 10% vom jeweiligen Land finanziert werden, als auch mit Instituten an deutschen und ausländischen Universitäten sowie anderen Forschungseinrichtungen weltweit.

Es ist geradezu erfrischend, eine Umgebung kennenzulernen, in der man sich keinen Illusionen hinsichtlich der Energieversorgung durch Solar- oder Windenergie hingibt, sondern diese Technologien auf wissenschaftlicher Basis wirtschaftlich und auch technisch mit anderen Optionen vergleicht und aufgrund dieser Untersuchungen Aussagen über ihre Wirtschaftlichkeit und Umweltverträglichkeit trifft.

Forschungsreaktor und Fusionsforschungsanlage

Nach dem Vortrag wurden die Besucher mit einem Bus durch das Gelände gefahren, um einen Eindruck der Dimensionen des Forschungszentrums zu bekommen. Ausführlicher wurden der ehemalige Forschungsreaktor (FR 2) und die Fusionsforschungsanlagen besichtigt. Der FR 2 dient seit seiner Entstehung der Nuklear- und Materialforschung, d.h. er wird nicht dazu verwendet, Energie in die Stromnetze einzuspeisen, sondern um im Reaktorbereich Strahlungsmessungen durchzuführen und Studien über Veränderungen von Materialeigenschaften u.ä. zu treiben. Die entstehende Wärme wird wie im normalen KKW in Wasserdampf umgewandelt, dieser aber, ohne zuvor durch eine Turbine zu strömend, sofort an die Umgebung weitergeleitet.

Die Fusionsforschungsanlage besteht zu einem Hauptteil aus der Reaktorhalle, deren wichtigster Bestandteil der aus supraleitenden Elektromagneten zusammengesetzte Reaktor ist, sowie ganzen "Kühlschrankhallen", die zur Kühlung der Magneten notwendig sind, um eine Supraleitfähigkeit bei ca. -270°C zu erreichen. Außerdem benötigt diese Anlage eine Mikrowellen-"Heizung", deren zehn Elemente jeweils eine Leistung von ca. 1 Megawatt bringen müssen, um den verwendeten Wasserstoff auf eine Temperatur von etwa 100 Mio.°C aufzuheizen, damit er zu Heliumatomen fusionieren kann.

Anhand dieser zwei Beispiele ist leicht erkennbar, daß die Hauptaufgabe des FZK nach wie vor die Grundlagenforschung ist, d.h. die insgesamt etwa 20000 an den 16 deutschen Forschungszentren angestellten Wissenschaftler müssen nicht in ein bis zwei Jahren kommerziell verwertbare Ergebnisse vorweisen wie ihre in der Privatwirtschaft arbeitenden Kollegen, sondern können sich der Erforschung und Entwicklung von Wissenschaftsfeldern widmen, die möglicherweise erst in zehn bis 15 Jahren oder gar darüber hinaus anwendungsreif werden. Konkrete technische Errungenschaften sind also nur die "Abfallprodukte" der Grundlagenforschung!

Deshalb ist der Rückgang der Ausbildung im Bereich der Naturwissenschaften an den Universitäten und bei Facharbeitern in den letzten Jahren eine erschreckende, kurzfristig gar nicht wieder gutzumachende Entwicklung, die auf die technik- und fortschrittsfeindliche öffentliche Meinung, die durch Politik und Medien verursacht wurde, zurückzuführen ist. So langsam dämmert es dem einen oder anderen, daß man weder mit Wind- und Solarenergie einen nennenswerten Beitrag zur Deckung des Energiebedarfs der (Welt-)Bevölkerung und der Industrie leisten kann, noch von (nachindustriellen) Informationen allein leben kann! Es wäre sicher besser gewesen, in den letzten 30 Jahren neben den ganzen Soziologen und Juristen auch einige Naturwissenschaftler und Techniker in Politik und Verwaltung zu Rate zu ziehen, um für gegenwärtige und zukünftige Probleme wirkliche Lösungsansätze zu entwickeln, statt kurzsichtiges Krisenmanagement zu betreiben.

Bleibt zu hoffen, daß aus den Fehlern der Vergangenheit die richtigen Konsequenzen gezogen werden. Im Forschungszentrum Karlsruhe jedenfalls gibt es noch viel zu entdecken und entwickeln, und allein diese Erkenntnis hat den Besuch schon zu einem lohnenden Erlebnis gemacht.


Zurück zur Kultur-Hauptseite: