November 1999:
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Flugblatt




Die BüSo fordert den wirtschaftlichen Kurswechsel: Gemeinwohl statt "Shareholder Value"!
Helga Zepp-LaRouche, die Bundesvorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität, schrieb am 25. November 1999 folgendes Flugblatt:

Helga Zepp-LaRouche

Die Globalisierung
frißt ihre Kinder



Bundeskanzler Schröder hat mit seiner Intervention gegen den Kollaps der Philipp Holzmann AG dafür gesorgt, daß "die Banken ihre soziale Verantwortung angenommen" haben, und er sagte, er werde auch dafür sorgen, "daß das so bleibt". Wenn Schröder das ernst meint, muß er sich vollständig und endgültig von Tony Blairs "Drittem Weg" abwenden und umgehend eine enge Allianz mit dem französischen Premierminister Jospin und dem italienischen Ministerpräsidenten D'Alema zur Verteidigung der nationalen Souveränität und Volkswirtschaft eingehen. Es ist nicht damit getan, in einer einmaligen Aktion die Holzmann AG zu retten, sondern eine ganze Riege von inkompetenten Managern in den Vorständen von Großunternehmen und -banken müssen durch solche ersetzt werden, die etwas von Produktion verstehen. Sonst wird sich die Krise nur fortsetzen.

Der drohende Kollaps der Philipp Holzmann AG, bei dem zusammen mit Zulieferbetrieben und Handwerksfirmen rund 80000 Arbeitsplätze auf dem Spiel standen, ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Krisen häufen sich:

  • der drohende Verlust von zigtausend Arbeitsplätzen bei Mannesmann, gleich, ob es zur feindlichen Übernahme durch Vodafone kommt oder zur "Umstrukturierung" des Konzerns durch den eigenen Vorstand;
  • die geplante Abtrennung der Stahlproduktion bei Thyssen-Krupp;
  • der Angriff der Europäischen Kommission auf die öffentlich-rechtlichen Banken in Deutschland;
  • die Weigerung der Privatbanken, den Mittelstand mit ausreichenden Krediten zu versorgen...
    Wenn man alle diese Entwicklungen als Teile eines Prozesses sieht, dann wird dramatisch klar: Es geht um die Fortexistenz der deutschen Wirtschaft! Und wenn die deutsche Wirtschaft kollabiert, dann reißt sie die Wirtschaft ganz Europas mit ins Grab!

    Der unmittelbare Grund für diese Serie von Desastern liegt in den verheerenden Veränderungen, die seit den 70er und 80er Jahren bei den führenden internationalen Finanzinstitutionen stattgefunden haben: Statt einer staatlich geförderten Orientierung am Gemeinwohl, wie sie in den Aufbaujahren in der Nachkriegsperiode vorherrschte, kam die Wende zur radikalen freien Marktwirtschaft - ohne soziales Mäntelchen. Statt einer an wirtschaftlichem Wachstum und Produktivitätssteigerung orientierten Politik kam die blanke Profitgier der "Shareholder Value Society". Statt wissenschaftlich-technischem Fortschritt in Industrie und Landwirtschaft kamen die "nachindustrielle Dienstleistungsgesellschaft" und das "Informationszeitalter".



  • An den Managerschulen lernte man nun vor allem, wie man durch Ausschlachtung der eigenen Firma Profite macht und dabei die eigenen Taschen füllt. Heute besteht das Hauptproblem darin, daß so gut wie das gesamte Management der Großbanken und Industriekonzerne seit den 70er und 80er Jahren ausgetauscht wurde, und nicht länger kompetente Industriebankiers wie Hermann Abs, Jürgen Ponto und Alfred Herrhausen oder Erfinder-Unternehmer wie Carl Zeiss oder Emil Rathenau in den Vorständen sitzen, sondern eben die Herren Esser, Cromme, Breuer, Schmitz, Binder oder Boehm-Bezing.

    Thatcher-Modell ist gescheitert

    Die brutalste Eskalation in dieser Zerstörung der Produktion und Beförderung der Spekulation erfolgte nach Auflösung der Sowjetunion, als George Bush seine "neue Weltordnung" verkündete und gegen den souveränen Nationalstaat und die Idee einer nationalen Volkswirtschaft vorzugehen begann. Einige nennen diesen Prozeß "Globalisierung", der passendere Begriff dafür lautet "Wahnsinn". Denn der souveräne Nationalstaat, so wie er sich seit der Renaissance entwickelt hat, ist nun einmal die einzige Regierungsform, die das Gemeinwohl der Bevölkerung gegen supranationale Übergriffe verteidigen kann. Wird dieser souveräne Nationalstaat abgeschafft, wie dies derzeit von der Europäischen Kommission versucht wird, dann fallen Betriebe, Arbeitsplätze und die existentiellen Interessen der Bürger einem modernen Raubrittertum zum Opfer.

    Bei der versuchten feindlichen Übernahme von Mannesmann durch die viermal kleinere Firma Vodafone geht es auch darum, daß Großbritannien in einer anglo-amerikanisch dominierten Globalwirtschaft die Kontrolle über die "Informationsgesellschaft", d.h. alles was mit Medien, Unterhaltung und Meinungskontrolle zu tun hat, ausüben will. Ein anderer Faktor ist der jahrhundertealte Haß, den die britische Oligarchie gegen Deutschland kultiviert.

    Während der Zehn-Jahresfeierlichkeiten zum Fall der Mauer wurde Helmut Kohl nicht müde, in Interviews Margaret Thatchers Worte zu wiederholen, die er sie zufällig im Dezember 1989 auf dem EU-Gipfel in Straßburg hatte sagen hören: "Wir haben sie (die Deutschen) schon zweimal in diesem Jahrhundert geschlagen, und nun sind sie schon wieder da!"

    Man erinnere sich auch an die haßerfüllte Kampagne von Thatchers Minister Ridley, der das wiedervereinigte Deutschland als "Viertes Reich" beschimpfte. Sie war Teil der psychologischen Kriegsführung, zu der auch Mitterrands Erpressung, die französische Zustimmung zur Wiedervereinigung an die Aufgabe der D-Mark zu binden, gehörte. US-Präsident George Bushs Variante war, Deutschland zur "Selbsteindämmung" anzuhalten. Solchermaßen unter Druck gesetzt, kam die Regierung Kohl zu dem Schluß, daß die Einbindung des wiedervereinten Deutschlands in ein Maastricht-Europa "eine Frage von Krieg oder Frieden" sei. Und so stimmte Kohl dem Maastrichter Vertrag zu, der zum Ziel hatte, die starke D-Mark durch den schwachen Euro zu ersetzen, die deutsche Wirtschaft zu schwächen und vor allem die staatlich geförderte Schaffung von Arbeitsplätzen, etwa durch Anschubfinanzierung von Infrastrukturprojekten, unmöglich zu machen. Sogar staatliche Beihilfen sind in der EU prinzipiell verboten, alle Ausnahmen müssen von Brüssel einzeln genehmigt werden!

    Wie absurd die versuchte feindliche Übernahme von Mannesmann ist, wird daran deutlich, daß die Gesamtsumme, die Vodafone bietet, nicht nur die höchste ist, die je für den Kauf eines Unternehmens geboten wurde, sondern daß die Mannesmann-Beschäftigten 200 Jahre arbeiten müßten, um den entsprechenden Gegenwert zu erwirtschaften, so die Heidelberger Nachrichten am 20. November! Der größte Teil davon soll in Aktien gezahlt werden, und wie schnell die sich in Luft auflösen können, das haben die Holzmann-Aktionäre gerade gesehen.



    Neue Töne aus Frankreich und Italien

    "Globalisierung" und die neoliberale Wirtschaftstheorie sind gescheitert. Der französische Premierminister Jospin und der Chef der italienischen Nationalbank Antonio Fazio haben gerade - in ganz ähnlichen Formulierungen, wie man sie von dem demokratischen Präsidentschaftsbewerber in den USA Lyndon LaRouche seit langem kennt - die existentielle Rolle des souveränen Nationalstaates bei der Verteidigung des Gemeinwohls herausgestrichen. Beide haben von den "goldenen 30 Jahren der Zeit nach 1945" gesprochen, als noch wissenschaftlich-technischer Fortschritt zu Wirtschaftswachstum, Vollbeschäftigung und steigendem Lebensstandard führte. Und beide machen den "Paradigmenwandel" seit den 70er Jahren und die "Globalisierung" für die jetzige Krise verantwortlich.

    Wir müssen uns in Deutschland dieser Position von Jospin und Fazio zuwenden und der Caligula-Karikatur Tony Blair und seinem "Dritten Holz-Weg" eindeutig den Rücken kehren. Die Existenz Deutschlands und ganz Kontinentaleuropas steht auf dem Spiel, deshalb darf es keine Rücksicht mehr auf Dogmen geben, die eine Überlebensstrategie unmöglich machen.

    Deshalb fordert die BüSo:

      1. Der Maastrichter Vertrag muß umgehend gekündigt werden.

      2. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau muß sofort in die Lage versetzt werden, Kredite zur Erhaltung existierender und zur Schaffung neuer produktiver Arbeitsplätze auszugeben. Dabei müssen die Kriterien der physikalischen Ökonomie streng befolgt werden.

      3. Die Existenz der Landesbanken, Raiffeisenbanken und Sparkassen muß nicht nur erhalten, sondern ausgebaut werden, damit die Kreditversorgung des Mittelstandes gesichert ist.

      4. Wie der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Wilhelm Lautenbach in seinem berühmten Memorandum an die Friedrich-List-Gesellschaft 1931 festgestellt hat, sind gerade unter Bedingungen einer internationalen Finanzkrise und Depression staatliche Investitionen in ohnehin notwendige Infrastrukturprojekte entscheidend wichtig. Solche Investitionen wirken nicht inflationär, weil sie realen gesellschaftlichen Wert schaffen, zur Kapitalbildung führen und die Wirtschaft allgemein in Schwung bringen. Solche Projekte sind heute z.B. der Bau eines Transrapid-Netzes in Deutschland und die Beteiligung am Ausbau der Eurasischen Landbrücke.

      5. Inkompetente Manager, die mehr an Spekulation und virtuelle Dienstleistungen glauben als an die Produktion realer Güter, müssen durch Männer und Frauen, die etwas von Produktion verstehen, ersetzt werden. Das gleiche gilt für Bankiers, die sich wieder als Diener von Industrie und Landwirtschaft verstehen müssen, und nicht als größenwahnsinnige Diktatoren, die de facto als Feinde unserer Volkswirtschaft agieren.

    Die Wirtschaft wieder in Ordnung zu bringen, ist relativ einfach. Wir müssen uns nur daran erinnern, wie Deutschland das Wirtschaftswunder geschaffen hat.

    Aber die Lösung dieser Krise verlangt mehr: Sie verlangt eine politische Lösung, und die kann es nur geben, wenn die Bürger zu Staatsbürgern werden und aktiv Verantwortung übernehmen, damit unser Land und unsere Zukunft gerettet werden kann!

    Schließen Sie sich deshalb der BüSo an!


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