Dezember 2003:
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Flugblatt



Flugblatt-Verteilaktion in Esslingen
In Baden-Württemberg fanden im Herbst 2003 eine Reihe von politischen Kampagnen statt.
Das Bild zeigt eine Verteilaktion des nachfolgenden Flugblattes in der Innenstadt von Esslingen am Neckar.



Von Helga Zepp-LaRouche, Vorsitzende der Bürgerrechtsbewegung Solidarität,:

Warum Deutschland von Deng Xiaoping lernen muß

Was die verheerende Kulturrevolution in der Volksrepublik China anrichtete, das schafften in Deutschland die zu Grünen mutierten "68er" nach ihrem langen Marsch durch die Institutionen. Der Unterschied: China gelang unter Deng Xiaoping ein wirtschaftlicher Kurswechsel, während die Deutschen ihre "Kulturrevolution" weiterhin ausleben.

Jeder, der nach China reist, kommt total beeindruckt von der ungeheuer rasanten Wirtschaftsentwicklung und dem Optimismus der Bevölkerung zurück. So erging es auch Lothar Späth, wie er im Handelsblatt in einem Kommentar mit der Überschrift "Können wir von China lernen?" zum Ausdruck brachte. Ja, wir können und wir müssen, wenn wir aus der Katastrophe der Wirtschaftsentwicklung in Deutschland herauskommen wollen. Wir brauchen das Äquivalent der Deng'schen Wirtschaftsreformen, mit denen er ab 1978 einen radikalen Kurswechsel um 180 Grad durchgesetzt hat - weg vom Wahnsinn der Kulturrevolution, hin zu einer absoluten Bejahung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts. Wenn ich sage, das "Äquivalent" der Deng'schen Reformen, dann soll das heißen, daß die konkrete Lage in Deutschland heute natürlich große Verschiedenheiten zu der im China von 1978 aufweist. Trotzdem müssen wir im Prinzip genau das gleiche tun.

Nach der Gründung der Volksrepublik China 1949 kam es zunächst zu einer wirtschaftlichen Verbesserung, und trotz einer Verengung der Produktpalette, einer Verschlechterung der Qualität der Produkte und einem relativ großen Warenmagel verbesserte sich der Lebensstandard zumindest eines Teils der Bevölkerung moderat.

Dann begann 1958 mit dem "Großen Sprung nach vorn" und der Kampagne der "Drei Roten Banner" der Siegeszug des Linksradikalismus - und damit ein massiver wirtschaftlicher Niedergang, der in den nächsten acht Jahren große wirtschaftliche Verluste mit sich brachte. Die andauernden Machtkämpfe gipfelten schließlich in der Kulturrevolution, an deren Ende China vor dem absoluten Ruin stand.

Dengs Leistung

Der absolute Wahnsinn der Wirtschaftspolitik dieser Periode war sogar mir als junger Journalistin klar, als ich 1971 die Chance hatte, für einige Monate Shanghai, Tsingtao, Tientsin, Beijing, und von da aus die umliegenden Gebiete zu besuchen. China hatte damals einen ungeheuren Mangel an hochqualifizierten Arbeitskräften, aber trotzdem wurden die wenigen Piloten, Ingenieure und Wissenschaftler jahrelang aufs Land geschickt, um "von den Massen zu lernen". Intellektuelle wurden als Klassenfeinde verfolgt, die Roten Garden erhielten bei Übergriffen gegen die Familien solcher Klassenfeinde wie bei der Zerstörung "reaktionärer Kulturgüter" freie Hand.

Ich erinnere mich noch gut, wie entsetzt ich war, die zerstörten - aber heute wieder vollständig restaurierten - schönen Malereien in den Arkaden des Sommerpalastes zu sehen. Dieser Wahnsinn terrorisierte die Bevölkerung in dieser Zeit, die generell als eines der grausamsten Kapitel in der Jahrtausende alten chinesischen Geschichte empfunden wird.

Mit dem Tod Mao Tsetungs ergab sich für Deng die Möglichkeit, gegen seine Witwe Jiang Qing, ihre Viererbande und gegen Hua Guofeng vorzugehen. Die Bevölkerung hatte genug von den Errungenschaften der Kulturrevolution, und vom 6. bis zum 15. Januar 1977 versammelte sich eine Million Menschen auf dem Platz des Himmlischen Friedens und verlangen Dengs Rehabilitierung. Auf der Plenarsitzung des Zentralkomitees vom 16.-22. Juli wurde Deng in alle Posten wiedereingesetzt, aus denen ihn zuvor die Viererbande verdrängt hatte.

Im darauffolgenden August gab Deng der ausländischen Journalistin Han Suyin ein Interview, in dem er sich zu den Auswirkungen der Politik der Viererbande äußerte. Obwohl diese Fraktion nur elf Jahre geherrscht habe, werde es noch zwanzig Jahre dauern, bis ihr Einfluß überwunden sei. Sie habe die Wissenschaft vollständig ruiniert, mit dem Erfolg, daß China jetzt um 50 Jahre in der Entwicklung zurückgefallen sei. Das Schlimmste aber sei, daß sie eine ganze Generation von jungen Menschen zu geistigen Krüppeln gemacht habe.



Deutschlands "Kulturrevolution"

Wenn man die katastrophale Wirkung des Paradigmenwandels in Deutschland betrachtet, der mit dem langen Marsch der 68er Generation durch die Institutionen begann, dann kann man nur feststellen, daß wir unsere selbstgemachte Kulturrevolution noch weiter ausleben, während China sie erfolgreich beendet hat. Was Chinas Linksradikale mit ihrem pathologischen Haß auf den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt waren, daß sind bei uns die Grünen. China hat seinen Paradigmenwandel nach rund zwanzig Jahren korrigiert, während wir seit nunmehr 35 Jahren die Zerstörung unserer wirtschaftlichen Grundlagen fortsetzen.

Wir haben uns seit Mitte der sechziger Jahre abgewandt von einer an wissenschaftlichen Fortschritt und Wachstum orientierten Leistungsgesellschaft, und sind eine Gesellschaft von Konsumenten, eine Spaßgesellschaft geworden. Nicht ehrliche Arbeit, Innovationsfreude und produktive Unternehmertätigkeit zählen mehr, und Gewinn bringen angeblich nur Spekulation und Börsengänge.

Die Kombination von völlig falsch verstandener Ökologie, neoliberalen Wirtschaftsreformen, Brandtscher Bildungsreform und Gegenkultur haben in unserer Gesellschaft einen Effekt erzielt, der in seinen Auswirkungen nicht weniger katastrophal ist, als es die Politik der Viererbande in China war. Heute funktioniert nichts mehr bei uns: Jede neue Runde von Haushaltskürzungen läßt den Kuchen kleiner werden, die Verteilungskämpfe um immer kleinere Stücke des Kuchens werden immer brutaler. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Renten sind nicht mehr sicher, das Gesundheitssystem kann nicht mehr bezahlt werden, die Kommunen sind bankrott, unser ganzer Sozialstaat wird demontiert - eine Spirale, die sich nach unten immer weiter öffnet, ohne Boden. So kann es nicht weitergehen.

Am 26. Februar 1978 eröffnete Deng Xiaoping den V. Nationalen Volkskongreß. Er forderte, noch in diesem Jahr Landwirtschaft, Industrie, Landesverteidigung zu modernisieren und durch die massive Anwendung des wissenschaftlichen und technologischen Fortschritts China zu einem der fortschrittlichsten Länder der Welt zu transformieren.

Mit dem Dritten Plenum des XI. Zentralkomitees leitete Deng ein neues Kapitel in der Geschichte Chinas ein und stellte den Wirtschaftsaufbau und die Modernisierung ganz in den Mittelpunkt. Eine beispiellose industrielle Revolution begann. In unglaublich kurzer Zeit stieg der Lebensstandard der Bevölkerung enorm, der ländlich-industrielle Genossenschaftssektor hatte bald jährliche Zuwachsraten von 45%, der staatlich-industrielle Sektor in den Großstädten Wachstumsraten von rund 11%. Der Lebensstandard der Bauern steigerte sich von 1978 bis 1987 um 140%. In den letzten Jahren konnte China trotz der sich verschärfenden Lage auf dem Weltmarkt in den Küstenregionen Wachstumsraten bis zu 12% und im Landesdurchschnitt bis zu 8% aufrechterhalten.

Dengs größtes Verdienst lag vor allem darin, durch eine schonungslose Aufdeckung der Mängel der Wirtschaftspolitik der Kulturrevolution und aller Erstarrungen des Kadersystems der Partei die Grundlagen für eine umfassende Modernisierung zu schaffen. Dabei ließ er sich einerseits vom Beispiel des damals hochmodernen Europa inspirieren, indem er andererseits Elemente der konfuzianischen Tradition und der Nationalökonomie zu einem "Sozialismus chinesischer Prägung" verschmolz. Staatliche Kreditschöpfung war und ist bis heute der wesentliche Motor dieser explosionsartigen Entwicklung, bei der es nie Sparpolitik oder Kürzungen gegeben hat.

Eine Deng'sche Wirtschaftsreform für Deutschland

Für uns in Deutschland stellt sich heute die existentielle Frage, ob wir einen vergleichbaren Überlebenswillen aufbringen können, wie ihn Deng damals in China bewiesen hat. Eine schonungslose Aufdeckung der wirtschaftspolitischen Fehler, die unsere Wirtschaft an den Rand des Abgrunds gebracht hat, muß zunächst einmal zwei Kategorien unterscheiden:

Erstens die Serie von neoliberalen Reformen, die Deutschland im Kontext des aller G7-Staaten betreffenden Paradigmawandels betroffen hat, wovon hier nur die Abschaffung des Systems fester Wechselkurse durch Nixon am 15.August 1971 und die ungezügelte Durchsetzung der Globalisierung nach dem Kollaps der Sowjetunion beispielhaft genannt werden sollen. Zur Korrektur derartiger die weltweiten Handelsbeziehungen betreffenden Abkommen muß Deutschland natürlich Verhandlungen mit seinen internationalen Partnern aufnehmen. Ein naheliegender Ansatz dazu ist die durch beide Kammern des italienischen Parlaments mehrheitlich beschlossene Resolution für ein Neues Bretton-Woods-System.

Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Fehlentwicklungen, die sich seit dem Beginn des neoliberal-ökologischen Paradigmawandels seit Ende der 60er Jahre in Deutschland auf binnenwirtschaftlicher Ebene abgespielt haben, und die können wir ebenso korrigieren, wie dies in China unter der Führung Dengs geschehen ist. Dazu gehört z.B. die inzwischen auf absurde Dimensionen angestiegene Ansammlung von Bestimmungen, Regelungen und Genehmigungsverfahren, die einfach dazu geführt haben, daß jede geplante Investition einen um mehrere Größenordnungen längeren Zeitraum zu ihrer Verwirklichung benötigt, als dies entweder im Deutschland des Wiederaufbaus nach 1945 oder im heutigen China der Fall ist.



Ein typisches Beispiel dafür ist z.B. der Vergleich der über zehn Jahre, die wir für den Bau der ICE-Trasse von Köln nach Frankfurt gebraucht haben, mit den erstaunlichen 22 Monaten, die China brauchte, um die Transrapid-Strecke von Schanghai bis zum Pudong-Flughafen zu bauen.

Wenn wir von Deng lernen wollen, dann sollten wir den ganzen Katalog dieser Auflagen und Genehmigungsverfahren gewissermaßen mit einer großen Klammer versehen, einfrieren, und erst nach der erfolgreichen Verwirklichung eines wirtschaftlichen Wiederaufbau-Programms im Einzelnen auf seine Angemessenheit untersuchen.

Wir müssen zweitens die in unserem Land inzwischen bei allen im Bundestag vertretenen Parteien stark verbreitete irrationale Feindschaft gegen den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt aufgeben, und diesen Fortschritt als Motor des wirtschaftlichen Wachstums bejahen. Es ist den meisten Bundesbürgern, aber vor allem Jugendlichen und Vertretern der 68er Generation offensichtlich gar nicht bewußt, aber beim Thema "wissenschaftlicher und technologischer Fortschritt" reagieren sie exakt ebenso gehirngewaschen wie die Viererbande und die Roten Garden während der Kulturrevolution in China. Waren für diese die Wissenschaftler und Intellektuellen "reaktionäre Volksfeinde", so sind für jene z.B. die Befürworter des inhärent sicheren Hochtemperaturreaktors automatisch "Faschisten".

Von diesem Standpunkt aus betrachtet kann man mit Deng sagen, daß die oligarchischen Interessen um den Club of Rome und ähnliche Institutionen, die die internationale Ökologiebewegung auf der Basis bewußt verfälschter Tatsachen geschaffen haben, nicht nur die Wissenschaft sabotiert und Deutschland um Jahrzehnte zurückgeworfen, sondern beim rationalen Denkvermögen von inzwischen zwei Generationen einen enormen Schaden angerichtet haben.

Wir müssen uns drittens mit der heiligen Kuh der unabhängigen Zentralbanken und der Kreditschöpfung durch private Finanzinteressen befassen. Teil des Paradigmawandels der vergangenen fast vierzig Jahre war eine immer größere Vernachlässigung der Banken der Aufgaben des - im weitesten Sinne - Gemeinwohls, wie sie z.B die Kreditanstalt für Wiederaufbau, die Industriebanken in der Tradition von Abs sowie die Mittelstandsbanken, Raiffeisen- und Sparkassen usw. erfüllten, und eine nahezu vollständige Verlagerung des Bankensektors in den Bereich des Investment-Banking, dem Börsengänge und Termingeschäfte seit langem lukrativer erscheinen als langfristige Investitionen in Produktion und Innovation.

Ein ganz wesentlicher Bestandteil des chinesischen Wirtschaftserfolges liegt unbestreitbar darin, daß die vier großen "kommerziellen" Banken Chinas tatsächlich staatliche Banken sind und staatlich gedeckte Kredite u.a. für große Infrastrukturprojekte und andere Aufgaben des Gemeinwohls ausgeben. Diese vier Banken sind die "State Development Bank", "Construction Bank of China", "Industrial Bank of China" und die "Agricultural Bank of China".

Wenn wir in Deutschland aus der Krise herauskommen wollen, brauchen wir entweder eine Nationalbank im Sinne der vom ersten Finanzminister der USA, Alexander Hamilton, geschaffenen Nationalbank, oder eine massive Ausweitung der Befugnisse der KfW.

Packen wir's an

Ich bin mir der innerlichen Aufschreie eines Teils der Leser bei diesen Reflektionen durchaus bewußt, weil das, was ich hier sage, dem Zeitgeist der öffentlichen Meinung in unserem Lande sehr wohl gegen den Strich geht. Wir haben die Wahl: Wir können bei unserem neoliberal-ökologischen Paradigma bleiben und in den kommenden Monaten mit Heulen und Zähneknirschen den vollständigen Kollaps unseres Sozialstaates erleben, oder wir reißen das Ruder herum wie Deng Xiaoping.

Was wir auf jeden Fall tun können: Wir können das chinesische Raumfahrtprogramm und die Arbeit der chinesischen Raumfahrtbehörde bewundern, bei der 270000 Mitarbeiter und Top-Fachkräfte den wissenschaftlichen Fortschritt in China vorantreiben. Die Chinesen werden sicher so freundlich sein, uns einige Museumsräume für unsere ausrangierten Raumfahrtprojekte, wie z.B. das Sängerprojekt, zur Verfügung zu stellen. Aber Schwarzen Humor beseite: Packen wir's an! Erinnern wir uns daran, daß wir das Volk der Dichter und Denker sind!


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